Ich sehe die Viertelfinals im Ganzen sehr ausgeglichen. Natürlich sticht die Paarung Deutschland-Griechenland heraus, da ist nichts ausgeglichen, und es wird sich zeigen, ob die limitierten Griechen in der Lage sind, ein Team wie Deutschland zu stoppen. Natürlich hat Deutschland keinen Jubelfußball gezeigt, aber das haben eigentlich auch nur Russland gegen Tschechien und Spanien gegen Irland. Dafür hat sich Deutschland in der „Todesgruppe“ ohne Punktverlust durchgebissen. Es gab in jedem Spiel eine kritische Phase, aber man hat alle drei Spiele gewonnen. Das hat keine andere Mannschaft geschafft. Selbst Welt- und Europameister Spanien hat nur gegen Irland wirklich gezaubert, aber die Iren waren einfach eine Liga schwächer als der Rest der Gruppe. Gegen Italien wurden sie gut neutralisiert und gegen Kroatien stand es auch lange auf der Kippe.
Von daher bin ich der Ansicht: klare Sache für Deutschland. Man darf es sich nicht klein reden.
Die anderen drei Partien halte ich dagegen für keinesfalls so klar. Natürlich ist Portugal nach der Glanzleistung gegen die Niederlande Favorit, aber Tschechien hat sich vom Debakel am ersten Spieltag gut erholt und zweimal durch Konzentration und gute Disziplin gewonnen. Daher können die Portugiesen ganz schöne Probleme bekommen. Ich glaube zwar trotzdem, dass sie sich durchsetzen, aber ein Spaziergang wird es nicht.
Spanien-Frankreich ist auch offen. Klar, Spanien ist stark und Frankreich hat das letzte Spiel verloren — aber regelrecht hergeschenkt, ohne Ribery und Cabaye, dessen Bedeutung für das Team von vielen „Experten“ unterschätzt wurde. Dabei ist der Spieler von Newcastle unter Blanc gesetzt und hat sich gegen Schweden auch ausruhen dürfen für die anstehenden Aufgaben (und hatte er nicht auch bereits ne gelbe Karte, die er absitzen sollte, um einer Sperre zu entgehen?).
Wenn es jemand schafft, Spanien zu stoppen, dann sind das 1.) Deutschland, 2.) Italien, 3.) Frankreich und vielleicht 4.) Portugal an einem guten Tag. Frankreich gehört also in den Kreis derer, die dem spanischen Kombinationsfußball Paroli bieten können und genügend offensive Optionen haben, um selbst zu gewinnen (Ribery, Nasri, Benzema oder Menez, ebenfalls der Geheimtipp).
Zuletzt England-Italien. Italien hat im Grunde nur gegen Spanien überzeugt, als man das Unentschieden erkämpft hat. Gegen Kroatien war es mager und gegen Irland — nun ja, es war gegen Irland. Aber England hat es nicht besser, England kriecht auf dem Zahnfleisch, das Team ist eine Verlegenheitslösung, das merkt man ihm deutlich an. Witzigerweise macht sich insbesondere das Fehlen von Gary Cahill nicht so bemerkbar, wie ich es gedacht hatte. Lescott macht da einen guten Job. Aber Scott Parker im Zentrum ist einfach mal ne Hausnummer schlechter als Lampard oder Barry. Dazu kommt die problematische Physis. John Terry ist gerade mal 32, aber wenn man ihn anschaut, glaubt man, einen 45-jährigen vor sich zu sehen. Er hat stark abgebaut. Ebenso Ashley Cole, der zwar immer noch sehr elegant spielt, aber als Außenverteidiger die Spritzigkeit vermissen lässt. Auch Steven Gerrard ist bereits mit 32 ein „Silberrücken“, aber er kann seine Gefährlichkeit immer noch an den ruhenden Bällen zeigen und spielt hervorragende lange Pässe.
England-Italien ist daher auch sehr spannend, weil die italienische Offensive auch ein bisschen spielt nach dem Motto „gewollt, aber nicht gekonnt“. Dafür hält die Defensive besser als die englische, und deswegen sehe ich Italien auch knapp vorne.
Aus deutscher Sicht gefiele mir ein Halbfinale gegen England jedoch besser, das wäre ein offeneres Spiel und auch eins mit weniger spielzerstörender Taktik. (Außerdem freue ich mich für jedes deutsche Bein, an dem sich kein de Rossi abarbeiten kann).
Schauen wir mal, wie es wird!