Moin.
Diesmal möchte ich über Dimensionen schreiben. Warum? Weil ich in letzter Zeit häufiger mal was von wegen „aus einer anderen Dimension“, „Dimensionsreisende“ oder ähnliche Formulierungen gehört und gelesen habe. (Und mich macht das irgendwie total fertig.)
Was mit der Formulierung gemeint ist, ist recht einfach: Irgendwelche anderen, geheimnisvolle Welten, die in gewisser Weise „parallel“ zu unserer liegen. Hinter einer Art Wand, gar nicht so weit weg, und doch unerreichbar. Dimensionstore sind ein möglicher Reiseweg. Tatsächlich sind die Formulierungen aber in etwa so sinnlos, als würde man sagen, der Reisende stamme aus einer anderen Analyse. Denn eine Dimension ist keinesfalls etwas, was man betreten kann oder in dem man verschwinden kann. Denn eine Dimension ist kein Raum oder ähnliches. Wenn ich so etwas beschreiben wollen würde, beinhalteten meine Formulierung wahrscheinlich „Parallelwelt“, „Spiegeluniversum“ oder „Ebene“. Und hier will ich erklären, wieso.
Was ist eine Dimension? Wikipedia zählt neben Eigennamen (Band, Filmstudio) im wesentlichen zwei Möglichkeiten auf: Erstens in Bezug auf ein Größensystem und zweitens eine Anzahl an Freiheitsgraden. Schauen wir uns beides mal an.
Ein Größensystem besteht aus irgendwelchen Größen und zugehörigen Dimensionen. Grob kann man sagen: Jede Größe, die man in einer Einheit misst, hat eine Dimension. Dabei beschreiben unterschiedliche (Maß-)Einheiten eventuell dieselbe Dimension. Beispielsweise sind Meter und Meile zwei Einheiten derselben Dimension, nämlich „Länge“.
Das mit den Freiheitsgraden ist etwas schwieriger, ist aber eng mit den Größensystemen verwandt. Misst man unterschiedliche Größen einer Sache, so kann man diese der Sache zuordnen. So kann ich beispielsweise von Leuten Größe und Gewicht messen und ihnen zuordnen. Das sind zwei Größen, die ich jeder Person zuordne. Jetzt stellen wir uns vor, das wäre die gesamte Wahrheit. Die Welt der Menschen mit Größe und Gewicht. Sonst nichts. Keine Namen, kein Bauchumfang, kein Sex. In dieser Welt kann jede Person a) ihre Größe und b) ihr Gewicht verändern, d.h. jeder hat genau zwei Freiheitsgrade, sich zu bewegen. Es ist ein zweidimensionaler Raum.
Mit dem Begriff Dimension wurde dieses Konzept dann auf die Spitze getrieben: Wann immer es eine oder mehrere Möglichkeiten gibt, Werte einzustellen, redet man von Dimensionen. Daher kommt es natürlich, dass man in der Mathematik gerne von mehr als drei Dimensionen spricht, denn ich kann ja mal locker mehr als drei Größen messen (die drei angesprochenen Größen sind natürlich Breite, Höhe, Tiefe).
Um das Ganze anschaulich darzustellen wird alles auf die Raumrichtungen abgebildet. So kann man beispielsweise das Gewicht auf der x-Achse auftragen, die Größe auf der y-Achse. Und dann da für jeden Menschen einen Punkt reinmalen. Naja, ihr kennt das ja sicher.
Umgekehrt kann man nun aber auch versuchen, sich zu überlegen, wie eine Geometrie mit mehr als drei Dimensionen aussieht. Wie man also das Konzept der einen Dimension auf zwei und drei erweitert und wie man das sinnvoll auf vier, fünf, sechs usw. Dimensionen hochtreiben kann. Das lernt man dann in der Schule als Vektorrechnung.
Eine Dimension ist also anschaulich so etwas wie eine Richtung — eigentlich sogar zwei gegenüberliegende Richtungen gleichzeitig (denn man kann sich hin- und herbewegen). Aber keine andere Welt. Und ich brauche auch keine Tore in eine andere Dimension aufmachen. Es reicht, wenn ich mich auf die richtige Weise drehe und in eine andere Richtung gehe: Dann bewege ich mich in eine andere Dimension. Ist gar nicht so schwierig :-)
Okay, ich habe nur drei Dimensionen für meine Bewegung zur Verfügung (und das mit dem rauf und runter gestaltet sich mitunter auch nicht gerade einfach) und ich kann die Zeit noch als eine Dimension auffassen, in der ich mich immer geradeaus bewege. Und wenn ich tatsächlich eine weitere Dimension finde, dann verschwinde ich vielleicht sogar aus dieser Welt, wenn ich mich in diese neue Richtung bewege.
Vielleicht kann ich mich ja so mit dem Begriff nähern: „Aus einer anderen Dimension kommen“ bedeutet, dass ich mich aus Richtung einer anderen Dimension nähere, die jetzt weder unseren drei Raumrichtungen noch der Zeit entspricht (aber trotzdem eine Richtungsdimension ist). Dass quasi mehrere Welten nebeneinander liegen, durch einen Weg entlang einer weiteren Dimension (oder mehrere?) verbunden. Dann gruselt es mich zwar immer noch bei vielen Formulierungen ("Ein Wesen aus der fünften Dimension"), aber ich habe wenigstens eine Erklärung. Dafür, wie die Formulierungen zustande kommen, die von Leuten geschaffen wurden, die das Konzept von Dimensionen nicht verstanden haben.
Also, liebe Autoren: Überdenkt bitte eure Formulierungen und wählt weise. Damit so kleinkarierte Mathematiker (wie ich) ihre flache Hand auch mal wieder aus den Gesicht nehmen können.