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2.9.2012, 18:40
JensN
Hi Folks,

mich beschäftigt, angestoßen durch Überlegungen zu DnD-Next, die Frage ob einem RPG-System etwas fehlt, wenn es kein eigenes Fertigkeitensystem hat.

Fertigkeitsproben können in den entsprechenden Systemen meist mehr oder weniger gut durch Attributsproben abgebildet werden. Das ist also nicht der Kern der Frage.

Das Problem ist, dass die Charaktere eventuell nicht ausdifferenziert genug sind.
Einige meiner Freunde hatten zumindest Bedenken, dass sich, ohne spezielle Wertunterschiede in Fertigkeiten, einzelne Charakterklassen nicht genug von anderen Klassen abgrenzen. Z.B. sei bei DnDNext ein Waldläufer angenommen, der nicht klar besser im Fährtenlesen ist als ein Kleriker mit hohem Wisdom-Wert. Möglicherweise kommt der Kleriker sogar aus der Stadt und sicher hat der Waldläufer sich schon Jahre damit beschäftigt Fährten zu lesen, trotzdem gibt es keinen signifikanten Unterschied, da der Waldläufer nur einen zusätzlichen +3 Bonus zum Attributsmodifier und W20-Wurf bekommt.

Außerdem wünschen sich meine Freunde Fertigkeiten auf ihren Charakterbögen, die beschreiben wie ihre SC in etwa sind, was sie können.

Ich selbst bin bezüglich dieser Kritik noch unentschlossen und mich würde Eure Meinung interessieren.
3.9.2012, 15:14
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Dom
Hier sind – glaube ich – drei Fragen vermischt, die mit einem Fertigkeitssystem zusammenhängen.

1. Die Differenzierung der Charaktere läuft nicht nur über Werte, d.h. ich kann auch in einem System wie SEUCOR unterschiedliche Charaktere darstellen, und das ganz ohne ein Werte-System, Fertigkeiten, Talente, Traits oder sonstwas.

2. Die Differenzierung der Klassen ist davon getrennt zu sehen. Dafür braucht das Spiel erst einmal ein Klassensystem. Berühmte Beispiele für Klassensysteme ohne Fertigkeitssysteme sind sicherlich oD&D und DSA1. Hier wird die Differenzierung über besondere Fähigkeiten, die niemand anders hat, geregelt: Zwerge können intuitiv Gangsysteme erkennen, Krieger dürfen große Schwerter und dicke Rüstungen tragen und Magier können Zaubern. Ich denke schon, dass da signifikante Unterschiede zwischen den Klassen erkennbar sind.
Und dafür sind ja auch die Klassen da: Um einen gewissen Nischenschutz zu gewähren. Dazu hat eine Klasse eben Besonderheiten, die sie von anderen Klassen abgrenzt.

3. Früher, in den goldenen Rollenspielzeiten, haben die Leute ja auch Waldläufer gespielt. Und dann hat die Spielleiterin eben gesagt: Du bist Waldläufer und findest die Spuren, wenn du mit W20 höchstens Weisheit würfelst. Und der Rest der Gruppe hat keine Ahnung und findet sie höchstens bei einer 1 auf W20. Das ist die Richtung, die der Norbert mit seinen Regeln „Abenteuer!“ predigt. Es gibt so etwas wie Fertigkeitsregeln nicht direkt, die Spieler (und vor allem die Spielleiterin) entscheidet nach gesundem Menschenverstand, legen Boni und Mali fest. Regeln in dieselbe Richtung gibt es übrigens auch bei AD&D2E: Wenn man nicht mit den (optionalen) Fertigkeitsregeln spielen möchte, kann man sein Vorkenntnisse grob festlegen (z.B: „Jäger"). Anhand dessen entscheidet dann die Spielleiterin, ob die Spielerfigur etwas kann oder nicht und kann bei Bedarf auch Attributsproben verlangen oder verweigern.
Zusammenfassend: Man braucht keine Fertigkeitsregeln. Weder, um unterschiedliche Charaktere darzustellen, noch um Klassen zu trennen und auch nicht, um zu entscheiden, was eine Spielerfigur kann oder nicht.

Das oben beschriebene konkrete Problem mit dem Waldläufer und dem Kleriker entsteht weder durch das Fehlen von Fertigkeitsregeln, noch sind detaillierte Fertigkeitsregeln dafür die einzige Lösung. Es handelt sich um das Problem, dass die Werte auf dem Papier nicht die gefühlten Fähigkeiten der Spielerfigur widerspiegeln: Der Kleriker sollte einfach nicht so gut Fährtenlesen können wie der Waldläufer. Das ist mMn ein inhärentes Problem des Systems (im Beispiel: DnDNext) und nicht des fehlenden oder benötigten Fertigkeitssystems.

BTW: Solange sich die Fähigkeiten nur graduell unterscheiden und (klassischerweise) durch einen Würfelwurf entschieden werden (geschafft vs. nicht geschafft), so kann es zwar auf dem Papier gefühlt richtig sein, in der konkreten Situation allerdings total lächerlich. Man erinnere sich nur an die Stärkeprobe in „The Gamers“ (Lift with the legs, Rogar, not the back).
4.9.2012, 07:41
JensN
Zu 3.:
Meine goldenen Rollenspielzeiten und die meiner Freunde begannen Anfang der 90er mit DSA3 und Shadowrun2 (AD&D hatten wir nicht gespielt).
Daher scheint es mir sehr davon abzuhängen wie man sozialisiert worden ist, denn bei diesen Systemen kann man relativ frei Fertigkeiten steigern oder auch schon zu Beginn wählen.

Dies führt gleich zu 1.:
Die Differenzierung der Charaktere über Werte sind, so meine These, deutsche Rollenspieler der zweiten Generation, welche die Entstehungszeit mit DSA1 oder 2E nicht kennen, einfach gewohnt. Daher fühlt es sich für sie komisch an, wenn diese wegfällt.

Mir sind Grundlegende Regeln, wie z.B. ein Kampf oder Magiesystem, sehr wichtig und auf Fertigkeiten könnte ich verzichten. Die individuelle Differenzierung der Charaktere würde ich dann allerdings gerne mit einem zusätzlichen System von Motiven wie bei The Pool oder ähnlich ergänzen, welches Dann den Bereich der Hintergrundfertigkeiten oder Hintergrundvorzüge abdeckt. Z.B. bei DnDNext könnte mir die Gestaltung des Charakters sonst zu mau ausfallen und aus irgendeinem Grund möchte ich es geregelt haben, wie viele Hintergrundeigenschaften die SCs bekommen und sei es nur als Anreiz dieses Kontingent auszuschöpfen und interessante SDs zu bauen.
5.9.2012, 17:51
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Dom
Man kann das auch regeln, ist nicht so schwierig.

a) Lege für jede Spielfigur einen „Hintergrund-Trait“ fest, d.h. einen Beruf o.ä., von dem die Spielfigur Ahnung haben sollte. Die Wahl sollte im Rahmen der Klasse sein und sich in der Hintergrundgeschichte widerspiegeln.
b) Im Zweifel entscheidet die Gruppe: Hat der Charakter davon Ahnung?
c1) Wenn ja, entscheidet die Spielleiterin: Muss der Spieler würfeln? Welches ist das Attribut? Zählt das Attribut voll (viel Ahnung) oder halb (wenig Ahnung)? Wie ist der Malus/Bonus für äußere Umstände?
c2) Wenn nein, entscheidet die Spielleiterin: Darf der Spieler überhaupt würfeln? (im Zweifel nein). Wenn ja: Glückswurf mit ca. 5 %.

Die Hintergrund-Traits müssen mit der Gruppe abgesprochen werden und sollten bei der Spielfiguren-Erschaffung grundsätzlich umrissen werden.
5.9.2012, 20:22
JensN
Ein Freund von mir meinte zu dieser Diskussion, dass es sein kann, dass Spieler sehr von der Willkür des Spielleiters abhängig sein können, wenn es keine klaren Fertigkeiten gibt, die bestimmen, ob der Charakter etwas kann oder nicht. D.h., dass sich im schlechtesten Fall eine gelungene Aktion so anfühlt, als sei der SL gerade gnädig gewesen, anstatt, dass man als Spieler den Erfolg dem eigenen SC zuschreibt.

Zu Deinem letzten Post: Darüber haben wir auch nachgedacht. Wir kamen auf die Idee, bei der Charaktererschaffung Hintergrund-Traits zu umreißen, die man in einem bestimmten Bereich recht frei anwenden kann, so wie bei den Traits z.B. bei WuShu oder the Pool. Dann würden wir jedem Spieler einen Pool an Pokerchips geben, der sich pro Spielabend auffüllt. Aus diesem Pool könnten die Spieler Chips investieren, um Proben bezüglich ihrer Hintergrund-Traits mit einem +3 Bonus zu erleichtern. Zusätzlich hätte jeder Spieler einen weiteren Pool, der ebenfalls jeden Spielabend aufgefrischt wird, aus dem der Spieler andere Spieler belohnen kann, wenn diese Aktionen machen, die ihm gefallen haben — vor allem „rollenspielerisch“.

Als Hausregel könnte ich mir das gut vorstellen. Käme aber auch auf die Gruppe an.
zuletzt geändert: 5.9.2012, 20:25
5.9.2012, 22:39
E-Mail
Dom

Zitat:

Ein Freund von mir meinte zu dieser Diskussion, dass es sein kann, dass Spieler sehr von der Willkür des Spielleiters abhängig sein können, wenn es keine klaren Fertigkeiten gibt, die bestimmen, ob der Charakter etwas kann oder nicht. D.h., dass sich im schlechtesten Fall eine gelungene Aktion so anfühlt, als sei der SL gerade gnädig gewesen, anstatt, dass man als Spieler den Erfolg dem eigenen SC zuschreibt.
Das halte ich für Quatsch. Klar, im schlechtesten Fall kann alles mögliche passieren. Beispielsweise könnten sich zwei Spieler streiten und die Gruppe darüber zerbrechen. Der SL-Willkür ist man fast immer ausgeliefert (es sei denn, nachprüfbare Regeln verhindern dies).

Ansonsten verweise ich mal auf b) meines Regelvorschlages: Die Gruppe entscheidet im Zweifelsfall, ob sich die Spielfigur auskennt. Das hat wenig mit SL-Willkür zu tun. Dass der SL in c) festlegt, wie die Probe abzulegen ist (z.B. Schwierigkeiten festlegen), ist auch bei D&D so.

Das mit den Pools und Chips und +3 und so klingt überwetzt. Zu viel Mechanik.
6.9.2012, 13:14
JensN
Mir gefiel es von Anfang an ganz gut, wie DnD-Next Fertigkeitenproben löst, doch in der Diskussion mit einigen sehr kritischen Freunden gingen mir leider schnell die Argumente aus, da einige schlicht auf ihrer Meinung festgefahren waren. Letztendlich ist vieles sicher auch Geschmacks- und vor allem Gewöhnungssache. Z.B. zu 1.) Differenzierung über Fertigkeitswerte mögen manche Spieler sehr gerne, zu 2.) es gibt viele Leute die Klassensysteme generell nicht mögen.

Nachdem ich noch mal drüber nachgedacht habe finde ich Deine Argumentation sehr schlüssig.
zu a): Einen Hintergrund bietet DnD-Next selbst schon an. Daher liegt es ohnehin nahe diesen mit gesundem Menschenverstand auszulegen.
Dies geschieht wie Du unter „b)“ schreibst, im Zweifel, sinnvollerweise durch die Gruppe.
Ansonsten stimme ich zu, dass Spielleiterwillkür bei anderen Systemen genauso möglich ist.
Dem Negativbeispiel aus „The Gamers“ Lift with the legs, Rogar, not the back wirkt DnD-Next sogar schon durch eine eigene Regel entgegen. Wenn nämlich der Mindestwurf für Fertigkeitsproben das Attribut um mehr als 5 unterschreitet, muss nicht gewürfelt werden und die Probe ist automatisch bestanden. Hier würde ich als SL noch einen +3 Bonus für einen passenden Hintergrund geben, wenn vorhanden (als Hausregel).

Generell gilt bei DnD-Next: Das nicht unnötig gewürfelt werden soll, ähnlich wie Du es schon andernorts beschrieben hast: „Der Spielleiter sollte immer dann eine Probe verlangen, wenn alle Probenausgänge zu einem für das Spiel befriedigenden Ergebnis kommen.“

Generell sind Proben bei DnD-Next schwerer als bei DnD3.x. Dies ist zum Teil gewöhnungsbedürftig, bzw. widerspricht den Erwartungen an DnD, wenn man erst mit DnD3.x eingstiegen ist. Es ist spannender und Proben werden sinnvoller gestaltet. Nicht wie bei DnD3.x, wo vom einen SC, durch überhöhte Boni, Fast automatisch Proben geschafft werden und diese gleichzeitig für andere SC so gut wie gar nicht zu schaffen sind.

Weiteres zu Fertigkeiten (zusammengefasst):
Die Differenzierung der SCs erfolgt auf andere Weise.
Ob einzelen SCs sinnvollerweise etwas mit hoher Wahrscheinlichkeit schaffen können, wird auch dem gesunden Menschenverstand deS SL und der Gruppe überlassen — d.h. diese sind in die Verantwortung genommen, sich nicht blind auf tote Regeln zu verlassen.
zuletzt geändert: 6.9.2012, 21:28
6.9.2012, 21:27
JensN
Nicht zu vergessen ist natürlich das tolle Advantage/Disadvantage-Element von DnD-Next.
9.9.2012, 21:04
JensN
Nach einigen weiteren Gesprächen stelle ich fest, dass nicht nur Fertigkeitensysteme, sondern allgemein ein starkes Regelgerüst bei verschiedenen Gruppen, mit denen ich spiele oder gespielt habe, sehr beliebt ist.

Schade, denn je mehr Regeln es gibt, desto eher machen die Spieler, was von den Regeln unterstützt wird, anstatt selbst Kreativ zu werden.
9.9.2012, 22:26
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Dom
Ich habe festgestellt, dass es immer auf die gesamte Gruppe ankommt. Wenn jemand beispielsweise in einer sehr freien Gruppe spielt, der eigentlich stark geregeltes Spiel mag, und die Sitzung gut ist, kann sich eine Meinung plötzlich sehr schnell ändern. Ist umgekehrt natürlich genauso.
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