Drüben, im übervollen Würfelbeutel, schreibt Rich über das Problem von Story-Orientierten-SLs mit komplizierte Regeln von klassischen Rollenspielen.
Ok, es gibt viele Spiele mit komplizierten Regeln. DSA, das Metstübchen-Haupt-Rollenspiel, ist auch eines davon. Aber auch D&D oder die WOD-Regeln gehören dazu. Doch der Trend geht ja zu vereinfachten Regeln ("streamlinen"); Indie-Spiele treiben das auf die Spitze und sind im Vergleich sehr einfach. Das hat wohl einerseits den Grund, dass man mit nur wenig Manpower viel leichter einfache Regeln als komplizierte Regeln hinkriegt. Andererseits liegt bei einfach Regeln im Normalfall die Geschichte im Vordergrund, und das ist es, worum es bei den meisten kleinen Systemen ja auch geht. Große Systeme versperren den Blick auf die Geschichte. Das hat zwei Gründe: Erstens sind fokussierte Regeln gut, also Regeln, die das belohnen, um das es im Spiel geht. Zweitens sind viele Regeln nur von relativ wenigen Spielern zu meistern. Damit steht bei komplizierten Regeln das korrekte Verstehen und Anwenden im Vordergrund und die daraus resultierenden taktischen Entscheidungen.
Letzteres kann natürlich auch gewollt sein, doch hier geht es jetzt darum, dass der SL die erzählte Geschichte in den Vordergrund stellt. Vielleicht stehen die Spieler ja auch auf die Regeln, sie lieben die taktischen und strategischen Entscheidungen usw. Hier in diesem Szenario soll jedoch mindestens der SL in der Hauptsache an der gemeinsam erzählten Geschichte interessiert sein. Außerdem hat dieser SL das Pech, ein Spiel mit vielen, komplizierten Regeln zu spielen.
Wie bereitet ein solcher SL eine Szene vor? Er überlegt, was passieren könnte und muss sich dann auf die benötigten Regeln vorbereiten: Kampf-Sonderregeln und Strategien für die Monster, Sonderregeln zur Bewegung in bestimmten Geländearten, Klettern-Schwierigkeitswerte für das Hindernis usw. müssen nachgeschlagen und notiert werden. Das dauert alles relativ lange und kostet Arbeit, weswegen der SL während des Spieles dazu neigt, die Spieler auch tatsächlich zu der vorbereiteten Szene zu führen, eventuell auch mit Gewalt ("Railroading"). Gelingt das nicht hundertprozentig, machen die Spieler was anderes und der SL muss improvisieren, d.h. „schlimmstenfalls“ eine Szene aus dem Ärmel schütteln. Da das aber entsprechend kompliziert ist, muss er wahrscheinlich während des Spieles das Regelbuch in die Hand nehmen und darin die entsprechenden Werte und Sonderregeln nachschlagen. Denn meist ist es ja der SL, an dem die Regeln hängen.
Da aber eigentlich viele SLs keine Geschichte vorbereiten möchten (da die Geschichte während des Spiels gemeinsam entstehen soll) sondern nur Situationen, müssen NSCs aus dem Ärmel geschüttelt werden können. Regellastige Systeme geben dazu oft Hilfen in Form von Proto-NSCs, Templates o.ä.; in regelarmen Systemen dagegen können die für einen NSC nötigen Werte meist spontan aus dem Hut gezaubert werden. Wenn es auf die Geschichte ankommt, sind also auch hier die regelarmen Systeme im Vorteil.
Nun steht aber der arme SL vor dem Problem, dass er kein regelarmes System hat. Was macht er also? Er ignoriert die Regeln, er „schummelt“, er dreht Würfel und alles nur, um eine Geschichte zu spielen. Und das kann jetzt von allen Spielern akzeptiert werden (was dann zum Partizipationismus führt) oder nicht (womit wir dann beim Illusionismus landen).
Jetzt könnte man fragen: Und warum spielt der SL dann so ein Spiel überhaupt? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil er dafür Spieler findet. Mir selber geht es ja nicht anders. Es ist nicht so, dass ich D&D nicht leiden mag (das spiele ich gerne, vor allem auch wegen der taktischen Herausforderungen und ich wäre nicht glücklich bei einem Schummel-SL), sondern dass ich auch mal was Story-Orientierteres spielen möchte. Dazu benutze ich als „Schummel-SL“ DSA (und ja, meine Spieler wissen davon). Warum nehme ich nicht StoryDSA oder irgendein Indie-Spiel? Ich finde nicht so richtig dafür eine Gruppe, die das mitträgt. Bis Mitte 2007 hatten wir ja die RPG-Testrunde, das war cool. Aber das ist vorbei.