Zunächst: Die Übertragung der beiden Begriffe auf das Rollenspiel finde ich gelungen. Das muss ich mal sagen, denn ansonsten erntet man bei solchen Vergleichen mit dem Fernsehen, Film oder der Literatur ja höchstens Kritik (weil bei F, F und L ein „Autor“ den „Plot“ vorher festschreibt und der „Zuschauer/Leser“ nur „konsumiert“ — einen besseren Beweis fürs Railroading bei DSA kann es nicht geben!).
Ich hingegen vertrete mit Überzeugung die augenscheinliche Mindermeinung, dass man Rollenspiel — nicht nur DSA — sehr wohl mit Film, Fernsehen und Literatur vergleichen kann. Primetime Adventures macht es ja vor. Aber genug davon — das wäre höchstens mal ein eigenes Thema wert.
Beim Lesen der in Pats Interview implizit enthaltenen Forderung „mehr Monster-der-Woche-Abenteuer“ kam mir folgendes in den Sinn:
Die frühen DSA-Abenteuer waren allesamt Monster-der-Woche. Ob nun Das Wirtshaus zum Schwarzen Keiler, Die Göttin der Amazonen oder Im Zeichen der Kröte. Doch was ist passiert? Diese Abenteuer wurden in den Metaplot eingefügt.
Beim Keiler noch recht vage, abseits des Spiels (abgesehen von der Örtlichkeit), aber meine alte Heldengruppe hat z.B. Xeraan und Glorana in den damaligen Abenteuern getötet und war mehr als erstaunt, als die beide im Rahmen der Bob-Kampagne wieder auftauchten.
Damit habe ich auch schon gleich das große Problem dieser Vorgehensweise genannt: einzelne Spielrunden haben mit den Personen oder Örtlichkeiten vielleicht Dinge gemacht, die nicht zur späteren Präsentation passen.
Zitat:
Das, was in diesem Abenteuer geschieht, kann nie mehr in einer anderen Publikation aufgegriffen werden?! Aber ist das nicht gerade der gewisse Reiz bei DSA? Dass das gerade im Abenteuer Geschehene in zwei, drei oder vielleicht auch zehn oder zwanzig Jahren aufgegriffen werden kann, dass der Schauplatz erneut verwendet wird und Spuren des Abenteuers zeigt, dass einer der NSC in einem anderen Abenteuer noch einmal wieder auftauchen und wiedererkannt werden kann?
So ist es auch geschehen und gestört hat es allenfalls bei den oben geschilderten Beispielen. Dort aber stark. Die erneute Verwendung von Örtlichkeiten macht dagegen weniger Probleme, sofern diese Örtlichkeiten sich nicht durch das Wirken der Helden stark verändert haben (sie könnten z.B. den Schwarzen Keiler angezündet haben).
Das größte Problem bei „Monster der Woche“-Abenteuern sehe ich darin, dass die Spielgruppe jedes Mal Neuland betritt, neue Leute kennenlernt und nach dem Abenteuer wieder vergessen kann.
Klar kann man so spielen, so habe ich rund 10 Jahre DSA gespielt, aber es bleiben Elemente der Spielwelt auf der Strecke, wenn man immer neue Sachen kennenlernt und nie alte Sachen wiedertrifft.
Demgegenüber stand ein anderes Rollenspiel, das wir im Freundeskreis entwickelt hatten — auch dort gab es anfangs den „Terroristen der Woche“, aber später entwickelten sich kleine Kampagnen, weil jeder Spielleiter seine persönliche Terrororganisation hatte. Einer hatte einen verrückten britischen Waffenhändler mit seinen Schergen, ein anderer ein mexikanisch-amerikanisches Drogenkartell, ein dritter eine militante Rassistengruppe (von deren Mitgliedern wir so viele umgelegt hatten, dass wir bei jedem weiteren Abenteuer witzelten, wann sich die „siebte Legion“ endlich umbenennt in „achte Legion“ :) ) und mir „gehörte“ eine gewalttätige Sekte, die die Apocalypse herbeiführen wollte.
Jedesmal, wenn ein Abenteuer eine dieser Gruppen zum Thema hatte, waren die Spieler voll dabei, weil es gegen ihre Erzfeinde ging. Die Abenteuer bauten aufeinander auf und es kam tatsächlich ein Gefühl auf, sich in einer Welt zu bewegen, in der die Taten von einst Auswirkungen auf heute oder morgen haben.
Und damit will ich zurück zu DSA. Dort ist es nämlich eine schwere Herausforderung, Abenteuer so zu designen, dass „Taten von einst Auswirkungen auf heute oder morgen“ haben. Denn in unserem eigenen Rollenspiel konnten wir beim Entwickeln der Abenteuer Bezug nehmen auf das, was zuvor passierte. Das kann ein DSA-Autor nicht.
Aber man kann dennoch diesen Wiedererkennungseffekt nutzen, indem man sich auf diejenigen Dinge aus früheren Abenteuern bezieht, die man guten Gewissens als gesetzt erachten kann. Wenn die Helden in einem alten Abenteuer die Errichtung eines Tempels unterstützten, so kann in einem späteren Abenteuer der Tempel fertig sein und Schauplatz eines anderen Abenteuers werden.
Daher stimme ich Dir zu:
Zitat:
Für das lebende atmende Aventurien ist aber jede dieser Nicht-Festlegungen ein Verlust, der vermieden werden sollte, wenn er für die Geschichte nicht wirklich notwendig ist.
Für den cleveren Spielleiter ist es kein Problem, eigenmächtig bestimmte Veränderungen vorzunehmen, selbst wenn das Abenteuer nicht die „Freigabe erteilt“. Ich halte das „Freigabe erteilen“ in Abenteuern ohnehin für kontraproduktiv, da im Umkehrschluss angenommen werden muss, dass die nicht genannten Aspekte nicht geändert werden können, ohne mit der Aventurien-Darstellung in Konflikt zu geraten. Demgegenüber finde ich es in Spielhilfen sinnvoll, weil man bei den Spielhilfen davon ausgehen muss, dass alle enthaltenen Personen (Orte und co.) von offizieller Seite für wichtig befunden wurden.
Zitat:
Das Problem ist meiner Meinung nach die Vorstellung, dass das Vorhandensein von Festlegungen einem dieser modernen, offenen Abenteuer entgegen stehen würde. Oder dass es das ist, was man unter Losgelöstheit vom so genannten Meta-Plot bezeichnet. Ich glaube, beides ist nicht der Fall.
Nein, das bezweifle ich auch.
Der Metaplot ist für mich nicht die Ansammlung der Fakten der Welt, sondern der Metaplot ist tatsächlich nur ein fortlaufender Plot, ein Handlungsstrang. Ein Abenteuer, das sich auf einen Ort und auf bestimmte Personen festlegt, muss längst noch nicht mit dem Metaplot in Berührung kommen.
Auch die Personen aus den Regionalspielhilfen müssen nicht mit dem Metaplot zusammenhängen. Gleichzeitig aber ist ihre Verwendung in Abenteuern ein Stilmittel, um die Spielwelt Aventurien zusammenzufügen.
Denn mit dem Abenteuerschreiben und der Präsentation der Spielwelt verhält es sich wie mit einem Straßennetz. Wenn man immer nur monster-der-Woche-mäßig etwas Neues präsentiert, dann führen alle Straßen geradeaus in die Ferne. Wenn man dagegen bekannte Orte wieder aufnimmt und Persönlichkeiten einbaut, die in anderen Publikationen bereits schon mal enthalten waren, dann führt man Straßen zusammen, lässt Kreuzungen entstehen und beginnt, ein regelrechtes Netz zu weben. Daran musste ich mich auch im Rahmen der Drachenchronik erinnern, denn anfangs bestand die Gefahr, dass ich den Plot komplett von der Spielhilfe losgelöst entwickle. Aber dann habe ich mich eines besseren besonnen, habe mir die Spielhilfe vorgenommen und überlegt, welche Figuren denn in dem Plot Platz haben könnten. Denn die Figuren waren damals ja unser Spielangebot für die Spielerschaft und deswegen erachte ich es auch als Verpflichtung meinerseits, auf dieses Spielangebot selbst einzugehen (selbst wenn der Schauplatz und der dort beheimatete Stamm nicht en detail in der Spielhilfe beschrieben wurden). So habe ich zumindest vier Figuren einbinden können und ich hoffe natürlich, dass der nächste Autor eines Wüstenabenteuers ähnlich verfährt.
Zitat von Jens:
Übrigens ist „Fanservice“ für mich eher ein leicht bekleidetes Mädchen mit großen Brüsten, das prominent auftritt und öfter in gewissen Posen gezeigt wird… ;-)
Für Fanservice bei DSA sind traditionell die Romane da, außerdem ist es einfacher, mit einer Hand ein kleines Taschenbuch zu halten, wenn man mit der anderen … äh… die Blumen gießt.
Zitat von Jens:
5. Ich meine eher, dass wenn „Mythen“ in eine Geschichte integriert werden, sich diese meist mehr um diese Leute dreht als um die Helden und die Helden eher „nebenher miterleben, was dem NSC wieder passiert“. Anstatt dass sie selbst voll drin sind, was mehr Spaß macht. Man neigt dann als Autor eher dazu „eine Geschichte zu erzählen“.
Ein Abenteuer, selbst wenn man es als „Geschichte“ designt, hat die Helden als Protagonisten. Wenn man als Autor tolle Geschichten um NSCs erzählen will, sollte man lieber einen Roman schreiben.
Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass manche DSAler etwas zu eifersüchtig sind und sehr schnell den Vorwurf erheben, dass die Spielerhelden nur Steigbügelhalter der NSCs seien. So wurde in einer Rezension des Unersättlichen der junge Leatmon Phraisop als „Wunderknäuel“ bezeichnet, obwohl er das ganze Abenteuer über nichts zu tun hat und nur eine einzige Szene hat, in der er etwas tut (und sogar etwas tut, was seinem Status als künftiges Kirchenoberhaupt mehr als entspricht).
Ich bin mir noch nicht ganz klar, was ich als Autor für eine Konsequenz daraus ziehen soll. Denn wenn es NSCs gibt, die Kaiser oder „Papst“ sein können, dann sollen die doch auch tun können, was Kaiser und Päpste so tun. Oder sollen die Spielerhelden zum Kreuzzug aufrufen und Ketzer exkommunizieren?
Hätte ich den NSCs komplett passiv lassen sollen? Ich bin mir sicher, dass das seinem Ruf nicht gut getan hätte (das JdF-Dilemma: tun NSCs etwas, beklagen sich Spieler über die Peepshow, tun NSCs nichts, beklagen sich die Spieler über deren Inkompetenz).
Oder hätte ich den NSC komplett aus dem Abenteuer heraushalten sollen? Ich glaube, dann wäre es ein brauchbares Monster-der-Woche-Abenteuer geworden, aber mehr auch nicht. Abenteuer, die sich wie Serienfolgen von einem Story-Arc oder Myth-Arc leiten lassen, haben nun einmal die Eigenschaft, dass am Ende nicht alle Geheimnisse enthüllt und alle Probleme beseitigt sind — und dass Nebenfiguren ein etwas größerer Platz eingeräumt wird, als es bei einer Monster-der-Woche-Folge der Fall wäre.
Gruß
Chris