Unter dem Thema [Blogs aktuell] lasse ich das im übrigen deswegen laufen, weil a) gerade im relevanten Teil der Blogosphäre verdammt wenig los ist (auch in der englischsprachigen) und b) weil Stefan „1of3“ Koch vor nicht allzu langer Zeit da was zu geschrieben hat.
Resolution? Tut das weh?
Das ganze klingt furchtbar theoretisch — und ist es im gewissen Sinne auch. Ich sag erstmal ganz allgemein was dazu: Resolution ist der Vorgang im Rollenspiel, bei dem der gemeinsame Vorstellungsraum verändert wird. Also ist das ganze Rollenspiel Resolution? Nein, aber Resolution ist ein großer Teil davon.Die Idee hinter dem Wort Resolution ist, dass alle Spieler gemeinsam über den Inhalt des gemeinsamen Vorstellungsraumes verhandeln (sonst würden sie ja einer Geschichte lauschen). Und um die bei der Verhandlung entstehenden Konflikte aufzulösen, bedarf es einiger Regeln. Einige davon merkt man während des Spiels nicht, sondern sind „einfach da“: Beispielsweise darf üblicherweise der Spieler eines Charakters entscheiden, was dieser tut und der Spielleiter beschreibt die Welt und die NSCs. Über solche Kompetenz-Fragen will ich hier aber nicht reden.
Betrachten wir als Beispiel mal drei Gebiete, die traditionell nicht über Kompetenzen geregelt sind:
- Fertigkeiten
- Kampf
- Magie
Wie wäre es, wenn die über Kompetenzen geregelt wären? Dann gäbe es jemanden, der sagt: Ok, du hast den Kampf gewonnen. Oder der Spieler des Magier müsste selber entscheiden, ob sein Charakter noch genug Kraft hat, um die Brücke zum Einsturz zu bringen. Meist sind diese Dinge jedoch durch mehr oder weniger komplizierte Abläufe genau geregelt und meistens entscheidet der Spielleiter, wann auf welche Resolution zurückgegriffen wird.
Traditionelle Unterscheidung: Task Resolution vs. Conflict Resolution
Das Thema möchte ich hier ganz schnell beenden und gar nicht mehr hochkommen lassen. Grund: die beiden Begriffe sind so kaputt, dass man nicht drüber reden kann (ich hab sie früher auch verwendet; da war die Situation aber noch etwas klarer. Außerdem sehe ich das Ganze heute etwas weniger naiv.). TR bedeutet so viel wie „klassische Auflösung“, CR sowas wie „tolle Idee von der Forge“. Alle klar? Nö? Gut. Also weiter.Bestandsaufnahme
Nehmen wir ein klassisches Rollenspiel, dort den Bereich Fertigkeiten und schauen auf folgende Situation im gemeinsamen Vorstellungsraum: Ein Charakter verfolgt zu Fuß einen Verbrecher, der gerade über eine zwei Meter hohe Mauer geklettert ist und nun droht zu entschwinden. Der Spieler sagt daraufhin sowas wie „Ich klettere über die Mauer“ und schaut den Spielleiter etwartungsvoll an. Dieser legt dann im Normalfall eine Probe fest und wenn diese gelingt, dann kommt der Charakter über die Mauer. Bei der Festlegung des Schwierigkeitsgrades gibt es oft Regeln oder Richtlinien im Regelbuch, dazu kommt noch der Einfluss der Dramaturgie.Und was passiert, wenn der Charakter die Mauer überwindet? Dann liegt es am SL, ob die Verfolgung weiter geht oder nicht. Denn wenn der SL entscheidet, der Verbrecher hat sich in den unbemerkten Sekunden unsichtbar gemacht hat, ist besonders flink durch eine Seitengasse entschlüpft o.ä. kann er die Verfolgung trotz einer gelungenen Klettern-Probe beenden.
Umgekehrt muss aber eine misslungene Probe nicht unbedingt die Verfolgungsjagd beenden: Der Charakter schafft es nicht auf Anhieb über die Mauer. Er verliert Zeit, evtl. erlaubt der SL einen zweiten Wurf, der dann nochmal vergeigt werden kann. Dann kann der Spieler später auf der anderen Mauerseite immer noch Spuren finden und die Verfolgung wieder aufnehmen.
Was steht also bei der Probe auf dem Spiel? Es steht auf dem Spiel, ob der Charakter über die Mauer kommt. Es steht nicht auf dem Spiel, ob der Charakter den Verbrecher weiter verfolgen kann oder nicht.
Stellschrauben
Ich habe vor längerer Zeit mal mit Dr.Boomslang ausführlich drüber diskutiert; darüberhinaus möchte ich die Ideen von 1of3 hier verbraten. Ich sehe derzeit im wesentlichen folgenden Gegensatz:spielsituationsunabhängiger Konfliktauflösung (SUKA) vs. spielsituationsabhängiger Konfliktaufösung (SAKA)
Zu SUKA: Hier geht es darum, einen fest definierten Konflikt aufzulösen, im Beispiel war es „Klettern“. Das Klettern ist ein unabhängig von der Spielsituation definierter Konflikt; der Autor des Rollenspiels hatte beim Schreiben keine Ahnung von der konkreten Situation. Trotzdem hat er eventuell Schwierigkeiten o.ä. festgelegt und damit in gewisser Art und Weise ein Physik der Spielwelt definiert: 1of3 nennt das Items, die festgelegt sind und auf vorher feststehende Weise manipuliert werden können.
Die Auflösung eines Konfliktes, der kein vordefinierter Konflikt ist, wird normalerweise in die Hand des SLs gelegt (wie auch am obigen Beispiel zu sehen). Wobei natürlich ein „guter SL“ (TM) die Dinge nicht allzusehr gegen die Erwartungen der Spieler bestimmt und immer ein Auge auf die Dramatik hat. Dabei kann auch (wie 1of3 vorschlägt) eine Folge von vordefinierten Konflikten festgelegt werden, die zur Auflösung eines nicht vordefinierten Konfliktes führen (muss aber nicht so sein, kann der SL meist auch spontan entscheiden).
Darüberhinaus ist bei SUKA fürs Spiel hilfreich, wenn die Konfliktauflösung einem leicht nachvollziehbarem Schema folgt, damit nicht vorgesehen Konflikte leicht improvisiert werden können. (Beispiel: Um eine Klöppeln-Probe abzulegen kann man stattdessen je nach Spielsystem meist eine Probe auf Geschicklichkeit o.ä. verlangen).
Hier ist bei vielen Spielen negativ anzumerken, dass diese Dinge meist nicht explizit geregelt sind (außer einer pauschalen Aussagen wie: „Der Meister hat immer Recht"). Ich denke, dass viele Probleme in Rollenspielrunden kleiner wären, wenn solche Regeln irgendwo explizit festgelegt wären.
Zu SAKA: Hier wird abhängig von der Spielsituation entschieden, was genau auf dem Spiel steht. Es kann sein, dass die Regeln beispielsweise den SL oder einen anderen Spieler dazu ermächtigen, diese Stakes zu definieren, es kann aber auch sein, dass darüber offen verhandelt werden muss. Wichtig ist, dass hier abhängig von der Spielsituation entschieden wird.
Dabei kann es zu keinem Konflikt kommen, der nicht vorgesehen ist (weil es eben keine fest vorgesehenen Konflikte gibt). Nachteil dieser Variante ist, dass die Regeln abstrakter sein müssen: Der Spielautor kann keine Physik-Engine etablieren und muss sich mehr Gedanken darüber machen, was er mit der Konfliktauflösung erreichen will. (Beispielsweise geht es bei Dogs in the Vineyard um die Frage: „Wie weit willst du gehen, um deine Ziele durchzusetzen?“ Darauf ist auch die gesamte Konfliktauflösung abgestimmt). Das hat zur Folge, dass die Regeln von manche Spieler für weniger nachvollziehbar sind: Auf einmal wird nicht mehr, wie gewohnt, irgendwas „handfestes“ geprobt, sondern es können auch weiche Dinge, wie das Ansehen bei Hof auf dem Spiel stehen, für das es „normalerweise“ gar keine Spielwerte gibt.
Und was habe ich als Spieler eines klassischen Systems davon?
Du kannst dich mit deiner Gruppe darauf einigen, die SUKA in deinem Spielsystem als SAKA zu missbrauchen. Die Idee dabei ist, die oben angesprochene Folge von vordefinierten Konflikten zu benutzen, um einen nicht vordefinierten Konflikt zu lösen.Beispielsweise könnte man explizit sagen: Gelingt die Klettern-Probe, so kann der Charakter dem Verbrecher weiter folgen; misslingt die Klettern-Probe, so kommt der Charakter nicht hinterher. Das klingt langweilig und irgendwie macht es doch eh jeder so, oder? Weil man ja einen guten SL hat ;)
Anderes Beispiel: Für den weiteren Verlauf der Story ist wichtig, dass der Charakter die Verfolgung aufrecht erhält. Dann macht man eben den Stake: Gelingt dem Charakter die Verfolgung unbeschadet oder misslingt die Klettern-Probe und der Charakter bekommt W6 Punkte Schaden wegen Abschürfungen und kommt trotzdem hinterher.
EDIT: Wichtig ist, sich über den Unterschied im klaren zu sein. Im Falle von SUKA geht es immer darum, ob das Klettern gelingt oder nicht. Über den Zusammenhang mit der konkreten Spielsituation wird keine Aussage gemacht. Zwar gibt es im Normalfall ein paar Gestaltungsmöglichkeiten für den Spielleiter, aber das, was auf dem Spiel steht, ist nicht an die Situation angepasst. Im Falle von SAKA ist das, was auf dem Spiel steht, immer von der Spielsituation abhängig. „Gute“ Stakes sind solche, die das Spiel voran bringen, egal ob die Probe gelingt oder misslingt. Voran bringen heißt nicht, dass es in beiden Fällen für den Charakter gut ausgehen muss. Voran bringen heißt nur, dass die Geschichte weiter gehen kann.
Besonders gut kommt es meistens, wenn ein misslungener Konflikt einen weiteren interessanten Konflikt nach sich zieht und die Sache dadurch evtl. noch spannender macht: Weil das mit der Kletterei misslungen ist (und der Charakter abgerutscht ist und sich dabei den Arm blutig geschürft hat), hat der der Zuckerzeug-Verkäufer genügend Zeit, mit seinem Wagen gemächlich in dieselbe enge Gasse wie der Verbrecher einzubiegen und der Charakter muss versuchen, irgendwie daran vorbei zu kommen.
Wenn man die klassische Struktur nicht durchbrechen möchte, entscheidet einfach der SL darüber, was genau auf dem Spiel steht. Will man dagegen mehr Macht an die Spieler geben, so können die Stakes auch frei ausgehandelt werden. Eine mögliche Regel ist „Say yes or roll the dice“, d.h. der Spieler sagt an, was er will und als SL hat man dann nur die Möglichkeit zu sagen: Ok, das gelingt so, wie du dir das vorstellst, oder wir stellen genau das auf die Probe und du musst würfeln.
Damit ist es nun möglich, jegliche Absicht, die ein Spieler verfolgt, abzubilden: Es werden nicht unbedingt mehr nur die Handlungen, die ein Charakter aufgrund der Regeln hat, geprüft, sondern auch Ziele, die durch die Regeln nicht erfasst werden.
Wer sollte SAKA und wer SUKA verwenden?
EDIT: Ich sehe SAKA klar im Vorteil ggü. SUKA, wenn es um das Erleben von Geschichten geht, denn das, was geprüft wird, ist auf die Spielsituation zugeschnitten. SUKA dagegen ist für beispielsweise für ARS geeignet, denn wegen der relativ geringen Anzahl vordefinierter Konflikte können Charaktere strategisch angelegt und gesteigert werden und in Spielsituationen kann taktisch agiert werden.Damit möchte ich jetzt nicht sagen, dass Taktik und Strategie in einem SAKA-Spiel nicht möglich sind oder in einem SUKA-Spiel keine Geschichten erzählt werden können. Der Schwerpunkt jedoch ist entsprechend verschoben.