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28.9.2007, 15:49
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Dom
So, kommen wir zu Teil 2 der Improvisations-Serie. Zur Erinnerung: Es geht immer noch um das Blog Catch Your Hare. Teil 1 ist in diesem Thread zu finden.

Spontanität

Wie Georgios im Thread zum ersten Teil schon geschrieben hat:

Zitat von Graham:

it’s more about the the thought process than the techniques.

Das ist in diesem Teil hier besonders wichtig. Es werden auch Techniken vorgestellt, doch alles muss man unter dem Licht des obigen Zitates sehen.

Diese Art der Denkprozesse kann man mit den folgenden Stichworten beschreiben:
  • offensichtlich sein
  • nicht clever sein
  • Selbstzensur und Vernunft

Zunächst werden diese drei Dinge beschrieben und dann ein paar Techniken (blockieren und akzeptieren) dazu vorgestellt.

Sei offensichtlich!

Das Offensichtliche ist eine persönliche Angelegenheit. Wie persönlich, kann man gut an den Antworten zu Setzt die Geschichte fort sehen. Die Idee dazu stammt übrigens auch von Graham, der denselben „Test“ in einem anderen Forum gemacht hat.

Die erste Frage war ja direkt nach dem offensichtlichen, die zweite war auch noch ohne längeres Nachdenken, also spontan, zu entscheiden. Ich zähle hier mal nicht auf, was die Leute geantwortet haben … das kann man ja im anderen Thread nachlesen.

Von alle gegebenen Antworten sind nur wenige davon gleich (nämlich dass die Frau sich umdreht). Was man daran sieht: Das offensichtliche ist für (fast) alle Leute verschieden, d.h. auch wenn sich der Spielleiter selbst nicht überrascht, so ist doch für die anderen Spieler das Offensichtliche meist sehr überraschend. Zudem sind die Hälfte der gegebenen Antworten Fortsetzungen, an denen jeweils der Autor auch selbst gefallen findet :)

Versuche nicht, clever zu sein!

Mit der dritten Frage wurde versucht, besonders clevere Antworten zu bekommen um zu demonstrieren, dass die cleveren Antworten zwar clever sind aber oft auch übertrieben. Da aber Rollenspieler üblicherweise etwas Übung im Geschichten erzählen haben, fällt dieser Teil nicht so krass aus wie bei nicht-geübten Personen. Trotzdem sind natürlich einige Übertreibungen dabei, was man insbesondere auch an Chadims Aussage sieht ;)

Ich habe übrigens meine eigenen Antworten nur geschrieben, weil ich mit gutem Beispiel voran gehen wollte. Ich kannte ja das Ziel der Fragen und auch die Antworten von Story Games.

Selbstzensur und Vernunft

In den meisten Rollenspielrunden versuchen die Spieler, ihre eigene Persönlichkeit zu schützen. Sie spielen auf Sicherheit, sie bemühen sich beispielsweise, nichts von ihren eigenen sexuellen Vorlieben, ihrer Gewaltbereitschaft oder anderen Gefühlen ins Spiel einzubringen und halten sich (bewusst oder unbewusst) selbst zurück. Als konkretes Beispiel nennt Graham das Erschießen einer Schwangeren.

Um auf Sicherheit zu spielen lehnen sich Spieler oft zurück und wollen unterhalten werden — sie agieren dann nur innerhalb des vom SL gestecken, sicheren Rahmens. Graham meint aber, es wäre besser, den Schild auch mal fallen zu lassen, denn dadurch würde das Spiel interessanter, weil man selbst persönlich durch eine solche Geschichte herausgefordert wird. Ich persönlich meine allerdings, dass es für das Spiel besser ist, solche Tabus tabu sein zu lassen … es geht schließlich um ein Spiel und nicht um eine therapeutische Sitzung.

EDIT: Dazu sei angemerkt, dass man seinen Schild auch scheinbar fallen lassen kann, d.h. man erzählt zwar Dinge, die an der „gefährlichen Oberfläche“ kratzen, dringt aber nicht wirklich zum Kern vor. Für die akzeptieren-Technik, die jetzt vorgestellt wird, reicht das mMn völlig aus.

Danach stellt Graham zwei Techniken vor, mit denen man sich schützen (blockieren) oder öffnen kann (akzeptieren). Im Prinzip bedeutet blockieren nichts anderes als „nein“ zu anderen Ideen zu sagen, akzeptieren bedeutet „ja“.

Blockieren und akzeptieren

Zunächst zum blockieren. Das passiert oft unbewusst. Im realen Leben ist blockieren ganz normal und auch notwendig, denn blockieren gibt Sicherheit.

Zitat:

„Du Arsch!“ — „Hey, reg dich ab, Mann.“
„Ich bring dich um!“ — (Flucht)
Im Spiel möchte man aber Spannung:

Zitat:

„Du Arsch!“ — „Lass uns vor die Tür gehen.“
„Ich bring dich um!“ — „Sobald du deine Kanone auch nur berührst, bist du tot!“
Im Spiel ist es häufig eine Plan, den man nicht durchkreuzt haben will; alles, was davon abweicht, lehnt man ab. Das kann einem als Spielleiter leicht passieren — und dann heißt es hinterher „Railroading!“.

Weiterhin blockieren viele, weil sie auch im Spiel ihren persönlichen Schild aufrecht erhalten wollen, wie ein paar Zeilen weiter oben besprochen, und zuletzt spielt auch hier der Status eine Rolle, denn ein Spieler möchte nicht unbedingt an Ansehen verlieren und im Status sinken, obwohl es sicherlich zu interessantem Spiel führen könnte.

Das Gegenteil von blockieren ist akzeptieren. Das ist das, was Frank mal als Ja-Sager-SL bezeichnet hat, was man aber im Rollenspiel auch von Spieler zu Spieler empfehlen kann. Akzeptanz führt im Allgemeinen zu interessanterem Spiel, weswegen Graham (und im übrigen auch ich) es grundsätzlich empfiehlt. Darüberhinaus ist ein „Ja, und …“ oder ein „Ja, aber …“ meist noch besser als ein einfaches „Ja“ (auch wenn es versteckt rüber kommt).

Zitat:

„Ich schleiche mal ums Haus rum und suche nach einem Hintereinang“ — „Du kommst an eine kleine, verschlossene Holztür“ — „Ich knacke sie mit meinem Dietrich“ — „Das Schloss springt auf und der Alarm geht los“
Hier sind zwei Beispiele für „Ja, und …“. Akzeptieren heißt nicht, nett zu sein ;)

Das Problem an der Technik „akzeptieren statt blockieren“ ist nicht, sie zu begreifen. Das ist einfach. Problematisch ist, seine eigenen mentalen Blockaden zu überwinden und die Änderung, die das „Ja“ mit sich bringt, zu akzeptieren. Hat man das einmal kapiert, wird Rollenspielen sehr viel einfacher.

Wo liegen die Änderungen im Spiel?
1. Man kann nicht bzw. viel schlechter vorausplanen, weil man ja die Ideen der anderen akzeptiert und diese nicht kennt.
2. Um damit zurecht zu kommen, muss man das Offensichtliche tun: Das geht schnell und ist gut.
3. Dazu muss aber die Selbstzensur, der persönliche Schild, unten sein. Sonst kann man nicht so spontan reagieren und akzeptieren.

Zusammengefasst: Akzeptiere, plane nicht voraus, sei offensichtlich und halte deinen Schild unten.

Eigentlich wollte Graham noch was über „Ja, aber …“ erzählen, hat er dann aber weggelassen. Weiter gehts dann irgendwann mit Teil 3, bei dem es ums Erzählen geht (glaube ich *g*).
zuletzt geändert: 28.9.2007, 16:21
28.9.2007, 16:08
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Dom
PS: Cool finde ich übrigens, dass hier eine Erklärung gegeben wird, warum es so viele Nein-Sager-SLs gibt (hier wurde der Begriff geprägt). Das ist ja nichts anderes, als ein (wahrscheinlich unbewusst) blockierender SL. Das liegt an

1. dem persönlichen Schild
2. dem zurechtgelegten Plan

Der Statusverlust spielt wahrscheinlich beim SL nur eine untergeordnete Rolle, da er ja nicht so emotional mit den Charakteren verbunden ist, wie die Spieler.
zuletzt geändert: 28.9.2007, 19:17
28.9.2007, 17:42
Dr.Boomslang
Das sind wirklich gute Sachen. Ich würde auf sowas einfaches nie kommen ;)

Sowas kann man dann auch in Mechanismen gießen und dann kann es sogar von Spielern benutzt werden nahezu ohne zu lernen und drüber nachzudenken.

Diese Mechanismen müssen nicht kompliziert sein. Ein Beispiel wäre die SEUCOR Regel 2 in der man sein Statement abschwächen muss. Das ist sowas wie „ja, aber“ nur mit anderer Rollenverteilung.
29.9.2007, 12:37
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Harald

Zitat von Dom:

Der Statusverlust spielt wahrscheinlich beim SL nur eine untergeordnete Rolle, da er ja nicht so emotional mit den Charakteren verbunden ist, wie die Spieler.

Ich denke, hier irrst Du. Im angelsächsischen Raum ist nicht umsonst Rede von der „Mary Sue“, dem Lieblings-NSC des SL, dem mitlaufenden Pseudo-SC, der alles besser kann als die SC der Spieler, und in den ganzen kritischen Situationen als glänzender Held dasteht.

Die andere Variante sind die Elminsters und Nahemas dieser Welt, die von den Autoren der Spielwelten schon „untouchable“ angelegt sind.

Und: Die Pseudo-Autoren unter den SLs haben sehrwohl ein Schutzinteresse ihre Geschichte betreffend. In Kombination werden diese drei Punkte dann kaum weniger wirken als das Schutzinteresse der Spieler an ihren Protagonisten.
29.9.2007, 13:45
Dr.Boomslang
Die Möglichkeit des Spiels völlig ohne solche Schutzinteressen ist klar, aber ist das denn realistisch? Man kann doch diese Art der Improvisation überhaupt nicht mit klassischen Anklängen mischen, oder?
Hier wird doch eigentlich ein geschlossener Stil beschrieben, der zwar sicher interessant ist, aber doch auch sehr begrenzt.
1.10.2007, 09:59
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Dom

Zitat:

Im angelsächsischen Raum ist nicht umsonst Rede von der „Mary Sue“, dem Lieblings-NSC des SL, dem mitlaufenden Pseudo-SC, der alles besser kann als die SC der Spieler, und in den ganzen kritischen Situationen als glänzender Held dasteht.
Hm, ok, bei einem Mitlauf-/Lieblings-NSC kann das natürlich genauso sein, stimmt.

Das ihre Geschichte betreffende Schutzinteresse würde ich allerdings als „zurechtgelegten Plan“ sehen. Trotzdem denke ich, dass dieses Interesse bei SLs ungleich stärker ist als bei Spielern.

Zitat:

Hier wird doch eigentlich ein geschlossener Stil beschrieben, der zwar sicher interessant ist, aber doch auch sehr begrenzt.
Ja, wenn du alles ganz konsequent anwendest und jeglichen Schutz fallen lässt, hast du einen eigenen Stil. Meiner Erfahrung nach funktionieren die Dinge aber auch, wenn man sie nicht ständig anwendet. Denn manches von dem, was Graham schreibt, verwende ich als SL (zwar bewusst, allerdings ohne wirklich die Hintergründe zu kennen), gerade wenn sich die Spieler durch ihre Entscheidungen von meinen vorbereiteten Ideen entfernt haben.

Konkretes (und krasses) Beispiel: Ich hatte ein Abenteuer mit einer Ork-Burgbelagerung vorbereitet und wollte die Charakatere durch einen einzelnen Ork zum Geschehen locken. Dieser wirkte durch einen günstigen Schadenswurf aber so übermächtig, dass die Spieler das Ganze für zu gefährlich hielten und lieber weitergezogen sind. Den Rest des Spielabends habe ich dann im wesentlichen improvisiert (ich hatte nur eine Idee, wie ich danach weitermachen wollte und habe sie als Einstieg verwendet). Und gerade „Akzeptiere“ und „Plane nicht voraus“ sind Dinge, ohne die ich so einen Spielabend nicht überstanden hätte.

Später haben die Charaktere dann übrigens erfahren, dass die Burg gefallen ist *g*
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