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RPG allgemein: Wozu Kampfregeln? (Blog) {Kampfregeln}
13.1.2009, 10:05
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Dom
In klassischen Rollenspielen™ gibt es ausführliche Kampfregeln. Und es gibt kurze Regeln für andere Dinge, die irgendwie gewürfelt werden sollen. Dabei fällt auf, dass Kämpfe in Runden unterteilt werden; es werden einzelne Schläge und Treffer simuliert und mitgerechnet, wie verletzt die Leute sind.
Bei Verhandlungen, in denen Kompromisse ausgehandelt werden, ist das nicht der Fall. Dort benutzt man entweder die kurzen Regeln für die Probe oder man spielt die Verhandlung aus und lässt das Würfeln komplett weg.

Das ist mal schnell in Versuchung, nach dem „Warum?“ zu fragen. Im Normalfall gibt es da keine Antwort drauf, oder nur sowas wie „Hey, Kämpfe kann man am Tisch wohl kaum ausspielen.“ Tatsächlich ist das aber kein Grund, die Dinge so ungleichmäßig wichtig zu behandeln. Und würfellose Rollenspiele oder einfache Systeme wie z.B. Engel zeigen auch, dass die Unterscheidung nicht gemacht werden muss. Auch Forge-Spiele, wie DitV, Polaris, PtA, TSoY oder Mortal Coil zeigen, dass man keine ausführlichen Kampfregeln braucht.
In Wahrheit ist es nämlich so, dass die Notwendigkeit von Kampfregeln aus der Historie der Rollenspiele erwachsen ist — ich sag nur Wargames.

Aber was haben denn Kampfregeln für Auswirkungen aufs Spiel? Ganz einfach: Sie machen Kämpfe wichtig. Und zwar nicht die Ergebnisse der Kämpfe, sondern die Kämpfe an sich. Durch den Kampf, das Spiel im Spiel, kommt ein taktisches und eventuell sogar strategisches Element in das Erzählspiel. Schaut man sich dagegen fantastische Literatur an, so gibt es dort zwar immer wieder Kämpfe, jedoch werden sie selten so zentral beschrieben, dass die Kämpfe als Kämpfe wichtig sind und dass durch die Kämpfe und die daraus entstehenden Überlebensängste zentral sind. Eher sind in Büchern die Auswirkungen der Kämpfe wichtig: Was sind die sozialen Folgen? Und eventuell: Wird der Kämpfer die schweren Verletzungen überleben? Hier wird deutlich, dass (klassische) Rollenspiele ein anderes Medium sind (denn gerade die Frage des Überlebens wird oft genug durch einen Heiltrank schnell positiv geklärt).

Action-Filme sind da schon eher an Rollenspielen dran: Hier wird oft durch eindrucksvolle Bilder und gute Schnitte der Kampf als solches inszeniert – nicht nur in Martial-Arts-Streifen. Dennoch geht es dort selten nur um Spannung, die durch Gefahren entsteht. Meist sind es dann doch irgendwelche Beziehungen zu anderen, die den Helden in Bedrängnis bringen.

Ist es denn schlimm, wenn Kämpfe zentral sind? Nicht unbedingt. Es kommt aber drauf an, was man will. Wenn man klassisch rollenspielen möchte, also mit Dungeons, Monstern und magischen Fallen, dann ist ein spezielles Kampfsystem bestimmt nicht verkehrt. Soll mehr Drama in den Vordergrund rücken, so wird das durch ein Kampfsystem behindert. Natürlich kann eine Gruppe auch trotz Kampfregeln dramatisch spielen, keine Frage. Aber wie schwierig das ist, sieht man an den vielen DSA-Diskussionen darüber, ob in einer Gruppe zu viel gekämpft wird oder nicht. Und dass es allgemein im Rollenspiel zu viele Teflon-Billys gibt. Gäbe es kein spezielles Kampfsystem, wäre auch kein Problem da!

Wenn du also ein Rollenspiel machen oder spielen möchtest, solltest du dir überlegen: Soll Kampf als solches in den Vordergrund rücken und dadurch Drama verdrängen? Wenn ja, brauchst du ein Kampfsystem. Wenn nein, dann sollte es ein allgemeines Konfliktsystem sein. [Man kann im übrigen auch ein Kampfsystem wegverhausregeln.]
13.1.2009, 11:57
Ein
Tja, irgendwie führt dann der Weg doch immer wieder zurück zum rules-light oder zu massgeschneiderten Systemen, wenn man sich jenseits ausgetretener Pfade bewegen möchte.
13.1.2009, 12:17
ragnar

Zitat:

Und dass es allgemein im Rollenspiel zu viele Teflon-Billys gibt. Gäbe es kein spezielles Kampfsystem, wäre auch kein Problem da!
Den Zusammenhang den ich da herauslese (Dadurch das Punkte zum Kampf-system abgezweigt werden entestehen so viele Teflon-Billys) kann ich so nicht zustimmen: Es gab auch schon zu AD&D-Zeiten genug Teflon-Billys und abzuzweigen gab es da gar nichts.
13.1.2009, 12:33
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Bernd Pressler
Die Betrachtung finde ich interessant und als ich seinerzeit an Evokationen gebastelt habe war auch eines der Ziele, dass man ein System hat, was man für alles verwenden kann. Wobei ich den Kampf als zentrales Element durchaus reizvoll finde, aber immer wieder erlebe, dass in vielen Gruppen 2 „Operationsmodi“ existieren. Ausserhalb der Kämpfe gibt es den Rules-Light RPG Modus in dem erzählt wird und wenig gewürfelt, viel Dynamik und Gefühl existiert. In den Kämpfen gibt es den „Kampfmodus“. Der bewerten der Situation, Auswahl der korrekten Optionen, Positionierung und Buchführung verlangen so viel Aufmerksamkeit, dass es hier gar kein Rollenspiel mehr gibt und oftmals auch keine grossartige Dynamik. Hier erlebe ich das Abreiten von Regeln. Und das finde ich schade.
13.1.2009, 12:55
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Dom
@ragnar: Hm? Wie kommst du jetzt auf Punkte abzweigen? Deine letzte Aussage bestätigt doch meine Aussage: Bei AD&D gab es ein Kampfsystem, also auch Teflon-Billys.

Gedacht habe ich mir beim Aufschreiben deines Zitates Folgendes: Die Spieler wollen nicht verlieren. Verlieren kann man bei einem Rollenspiel aber eigentlich nur, wenn der Cahrakter gegen den eigenen Willen stirbt — dann kann man seine Rolle nicht mehr ausfüllen und daher nicht mehr mitspielen (bzw. muss sich ne neue Rolle basteln). Gibt es ein Kampfsystem, so wird über das Kampfsystem auch der Tod eines Charakters definiert und es gibt üblicherweise auch zufälligen Tod.
Dagegen kann man sich absichern, indem man einen Teflon-Billy baut: Er hat keine Verwandten, keine Freunde (außer den Mitstreitern, wenn überhaupt), keine Leidenschaften. Und er hat möglichst Werte, die im Kampf gut funktionieren — am besten ist die Spielfigur auch nicht moralisch gut, sondern irgendwie tendenziell böse, egoistisch oder zumindest neutral. Dann kann er nämlich abhauen oder zu gefährliche Sachen links liegen lassen, wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht stimmt.
Der SL geht dagegen an, indem er bessere Monster, coolere Fallen und höhere Gewinne anbietet, so dass dann im Spiel völlig unabhängig von der Persönlichkeit des Charakters Spannung entsteht.

Gibt es aber kein Kampfsystem, sondern nur ein allgemeines Konfliktsystem, so wird der Tod nicht zufällig herbeigeführt; vielmehr ist er dann eine dramatische Entscheidung. Damit kann und muss man dann mehr Platz dem Charakter an sich einräumen. Sonst wird das Spiel nämlich langweilig!

@Bernd: Willkommen im Metstübchen!

Ich mag Kampf als solches auch als zentrales Element und sehe auch das Problem der Modi (ganz krass erlebe ich das momentan in unserer Earthdawn-Runde; macht aber trotzdem Spaß!) Es gibt meiner Meinung nach verschiedene Gründe, warum eine Gruppe im Kampf aufhört, rollenzuspielen ("rollenspielen“ im Sinne von: „interessante Beschreibungen liefern und den gemeinsamen Vorstellungsraum mit Farbe zu bereichern").
Zum einen ist da das Problem der Buchhaltung, das du schon angesprochen hast. Dann gibt es das Phänomen, dass jegliche Beschreibung, die über ein „Ich greife an“ hinausgeht, mit irgendwelchen Zuschlägen bestraft wird. Darüber hinaus verbieten einige Kampfregeln indirekt bestimmte Beschreibungen (weil der Charakter die entsprechende Fertigkeit nicht gelernt hat). Und zuletzt ist ein Kampf — gerade wenn er mit Miniaturen ausgetragen wird — eine Art Brettspiel mit genau vorgeschriebenen Regeln. Bei Monopoly kommt ja auch keiner auf die Idee, plötzlich zu beschreiben, wie das Hotel aussieht, dass man in der Parkstraße gebaut hat.
Ob diese Beschreibungsarmut schlecht ist, kommt wieder auf die Vorlieben der Spieler an. Es gibt ja auch viele Table-Top-Armeenschubser, die viel Spaß am rein taktischen Spiel haben und sich am Aussehen der Miniaturen erfreuen. Die stört vielleicht das Rollenspiel drumherum viel mehr als das taktische Spiel. Der Ursprung des Rollenspiels liegt ja auch genau hier!

Wie sehr die Meinungen auseiander gehen, sieht man an D&D4. Von den einen als „WoW am Spieltisch“ belächelt, wird es von anderen als „endlich mal ein cooles Rollenspiel mit funktionierenden Kampfregeln“ hochgelobt.
13.1.2009, 14:05
1of3
Dom, dir geht da gerade einiges durcheinander. 7te See hat z.B. auch ein Kampfsystem und trotzdem kann da niemand durch das Kampfsystem sterben.
13.1.2009, 14:43
ragnar
@DOM: Vielleicht etwas viel reingelesen (und im Hinterkopf das es „heutzutage“ so scheint als ob viele Teflon Billies dadurch entstehen das viele Fluffige Dinge aus dem gleichen Pool wie der Kampfcrunch bezahlt wird). Trotzdem will mir irgendwas an deiner These nicht so recht passen. Ich kann nur nicht so recht den Finger drauf legen. Ich mach mir mal ein paar Gedanken und versuche es dann zu konkretisieren.
14.1.2009, 09:36
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Dom
1of3, da hast du Recht. Ich habe meine Gedanken beschrieben, die ich hatte, als ich den Satz formuliert habe — und die sind offenbar nicht wasserdicht.

Die Frage ist jetzt: Gibt es bei der 7. See auch die Tendenz zu Teflon-Billys? Oder ziehen die anderen Mechanismem (z.B. kein zufälliger Tod in Kämpfen/dramatische Wunden, Hintergrüde, Arcana) das Spiel aus dem „Kampf-ist-zentral“-Thema heraus?
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