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DSA: [Rezension] Erben des Zorns (Blog) {Abenteuer, Rezension}
7.8.2008, 18:58
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Dom
Achtung, die folgende Rezension enthält einige Spoiler zum Inhalt des DSA-Abenteuers 115: Erben des Zorns. Wer das Abenteuer noch als Spieler erleben möchte, möge seine Neugier zügeln und die Spoiler nicht aufklappen. Das Fazit hingegen ist spoilerfrei und darf gerne von allen gelesen werden.

Spoiler zu "Erben des Zorns": (anzeigen)


Der Abenteuerband Nr. 115 stammt vom Beginn des Jahres 2003. Es umfasst 72 Seiten im Nicht-Ganz-A4-Format für 13,50 € (5,3 Seiten pro Euro) und kommt als klebegebundenes Softcover daher. Auf dem Umschlag ist ein auf den ersten Blick europäisch wirkendes Weinanbaugebiet zu sehen; auf den zweiten Blick fällt ein arabisch anghauchtes Gebäude im Vordergrund und die Reiter auf, die ihre Gesichert mit Tüchern in der Art der Tuareg verhüllt haben. Das Bild vermittelt eine friedliche Stimmung einer Region, in der zwei Kulturen aufeinandertreffen. Daran ändern auch die beiden mit Tüchern geschmückten Lanzen nichts, die die Reiter bei sich tragen.

Der Satz ist DSA-typisch zweispaltig, aufgelockert durch einige Illustrationen von Caryad in gewohnter Qualität: schön anzusehen, aber leider wenig dynamisch. Der Druck ist sauber, die Seiten ordentlich beschnitten, die Klebebindung haltbar. Das Abenteuer ist ausgelegt für 3 bis 5 Helden (Einsteiger bis Erfahren). Es stellt laut Umschlag mittlere Erwartungen an die Spieler und hohe an den Meister.

Autor ist Niklas Reinke, ein Experte für Almada. So ist es auch nicht verwunderlich, dass das Abenteuer gerade im Yaquirtal, im Grenzgebiet Almada-Amhallassih spielt. Schon gleich zu Beginn der Lektüre merkt man die Liebe des Autors zur Region: Die einleitenden Worte schwärmen vom maurischen Spanien, der Geschichte von Don Quijote, von der würzigen Luft der sommerlichen Toskana und den Düften eines orientalischen Marktes. Der Autor hilft dem Meister vorbildlich, die Stimmung der Region zu vermitteln. Er gibt Hinweise auf andere DSA-Produkte, auf verschiedene Artikel im Aventurischen Boten und auch auf irdische Romane, die seiner Meinung nach das almadanische Flair besonders gut einfangen. Es gibt Musikhinweise, Ideen für Dekorationen, Lichtgestaltung. Und ein kleiner Sprachführer hat es ins Abenteuer geschafft, mit almadanischen und tulamidya Begriffen, die sowohl Kultur vermitteln als auch sprachliche Ausgestaltungsmöglichkeiten für den Spielleiter bieten.

Auch viele Szenen des Abenteuers bieten viel Flair. So werden viele Volksfeste gefeiert; der Basiliskentag (bei dem Kinder Schlangen abstechen), eine Toreroquesta (bei der sich übermütige von Stieren jagen lassen) und das Fasalleh (ein rauschendes Fest zum 2. Rastullahellah). Es gibt außerdem den Geburtstag von Prinz Selindan-Hal von Gareth, ein rote-und-weiße-Kamele-Spiel und eine musketiertypische Fechtszene am Hafen mit Säbeln, Balanceakten, Sprung ins Hafenbecken und grinsendem Gewinner, der dem anderen heraushilft. Und einer Dame, die als Liebesbeweis einen Rubin benötigt. Überall, wo die Helden hinkommen, wird zufällig gerade das typische Fest gefeiert, dass einmal im Jahr stattfindet! Insgesamt ein bisschen viel des Guten.

Jeder einzelne Abschnitt ist mit Hinweisen zur „Stimmung der Szene“ und „Musik“ überschrieben. Dabei werden bei der Musik keine konkreten Titel angegeben, vielmehr wird die Art der Musik beschrieben. So steht dort beispielsweise „laut, schnell, gewaltsam, auswegslos“ oder „orientalischer, meditativer Frauengesang“. Abgesehen davon, dass man solche Musik erst einmal haben muss, trägt beides dazu bei, dass sich der Spielleiter durch das Abenteuer gut unterstützt fühlt. Manche beschriebenen Stimmungen sind allerdings keine, so gibt es beispielsweise eine Szene, wo die Stimmung mit „Überschreiten der kulturellen und politischen Grenze, im Blickfeld diverser Agenten“ lautet. Das ist eher eine Zusammenfassung der Szene als die Stimmung, hilft aber natürlich trotzdem weiter.

Dagegen fallen die Handouts total ab. So gibt es ein paar Quellen, die angeblich als Kopiervorlage vorhanden sind. Davon ist dann leider nur der letzte Abschnitt abgedruckt; die ersten dreiviertel des Textes muss der SL vorlesen oder selber vorbereiten. Die Spieler-Karte der Palastfestung Ferchaba kommt zwar ohne die Nummerierung, dafür aber mit allen Geheimgängen daher. Da haben wohl einige Leute in der Qualitätssicherung geschlafen. Aber egal, die Handouts sind schell selber gemacht und korrigiert.

Kommen wir zum Inhalt. Die Helden werden ganz zu Anfang Zeuge eines Überfalls in Then (bei Punin). Ihnen fällt dabei eine Schriftrolle in die Hände, die sie selbst nicht verstehen. Deswegen geht es weiter nach Punin, wo ihnen mit Hilfe des Kanzlers Raifik Listhelm Maldonado innerhalb von sechs Tagen weitergeholfen werden kann. Sie kennen dann zwar den Inhalt der Schriftrolle, wissen damit aber trotzem nichts anzufangen. Sie reisen mit diesen Informationen weiter nach Cumrat, um dort erneut den Kanzler zu treffen. Dort nehmen sie an einer Besprechung mit Königin Rohaja teil und werden aufgrund der spärlichen Hinweise weiter nach Brig-Lo geschickt (einigen DSA-Veteranen als Anfang des Meta-Plots wahrscheinlich noch ein Begriff). Hier jagen die Helden ein paar Novadi-Räuber im Wald, bevor sie dann Nachts im Grabmal von Brig-Lo einen hauptverantwortlichen Derwisch retten, der dann aber entkommen kann. Weiter geht es, der einzigen Spur folgend, nach Amhallah. Dort finden die Helden heraus, dass sie nach Ferchaba müssen. Verkleidet dringen sie in die Burg ein und nehmen an dem Fasalleh teil. Sie werden aufgedeckt und können mit einem jungen Drachen fliehen — der bringt sie zum Raschtuls Turm, wo sie im Finale die Wiedergeburt eines Pydracor-Kultes verhindern.

Bis hierher klingt alles wie ein wirklich cooles Abenteuer. Das wäre es auch, gäbe es nicht ein paar größere Probleme… Alleine vom Aufbau her ist das eines der schlechteren Abenteuer. Der Meister bekommt alle Informationen häppchenweise präsentiert. Es gibt zwar einen groben Abenteuer-Überblick zu Beginn, die genauen Informationen bleiben jedoch im dunkeln. So liest sich das Abenteuer teilweise wie ein Roman — nur sollte ein Abenteuer so aufgebaut sein, dass der Spielleiter alle Informationen möglichst übersichtlich präsentiert bekommt. Mit Spannung kann ich als SL gar nichts anfangen: Ich will zu Beginn eines Abschnittes erfahren, welchen Zweck er hat und wo er endet. Stattdessen musste ich mich als Nicht-Almada-Experte durch den Text quälen und immer wieder suchen, wer nochmal wer ist.

Einfaches Beispiel: „Ohne Zweifel handelt es sich bei der Domna um die Tochter des Reichserzmarschalls.“ Aber, wer war nochmal der Reichserzmarschall? Ein Name steht da nämlich nicht, weder vom Reichserzmarschall noch von der Domna. Da es auch keinen Abschnitt „Dramatis Personae“ gibt, blättert man durchs Abenteuer und findet fünf Seiten vorher Leomar Almaderich Sigiswild vom Berg, des Reiches Erzmarschall. Alles klar. Aber wie heißt seine Tochter? Schließlich begrüßt sie ja in der hier zitierten Szene die Helden und sollte sich schon mit Namen vorstellen können. Blätter. Ah, im Abschnitt nach der Begrüßungs-Szene wird sie vorgestellt.

Das jedenfall könnte ein Grund sein, warum das Abenteuer für Meister-Experten gedacht ist. Als SL muss man einfach das Abenteuer neu ordnen und selbst noch einmal in Szenen zusammenfassen, um es vernünftig leiten zu können. Denn, und hier kommen wir jetzt zum eigentlichen Problem, das Abenteuer ist eigentlich von der simplen Sorte. Es gibt genau einen Weg durch die Almada-Show. Anders kann man das Ganze nämlich nicht bezeichnen. Der Spielleiter wird x-mal aufgefordert, „es so einzurichten, dass dieses und jenes passiert“. Da muss der Derwisch mehrmals entkommen, mal muss den Helden was bestimmtes abhanden kommen. Dann müssen die Helden sich hier melden und dorthin gehen, sie müssen einen Drachen befreien und auf ihm reiten, sie müssen sich vom Muchacho zum Fechtkampf drängen lassen. Wenn die Spieler nicht zum Ereignis gehen, kommt das Ereignis eben zu ihnen — und wenn es einen Säbel dabei hat. Was passiert, wenn die Helden vom vorgeschriebenen Weg auch nur einen Millimeter abweichen? Keiner weiß es so genau.

Und dann gibt es noch einige Dinge, die einfach an den DSA4-Regeln vorbeigehen. Der Muchacho wird so schwer verletzt, dass er am nächsten Tag nicht an der Toreroquesta teilnehmen kann. Na und? BALSAM und gut ist, oder? Nein, es ist natürlich vorgesehen, dass ein Held das Ganze durchsteht. In der Festung des Beys gibt es zig fahrende Händler — aber keine(!) Taverne. Viele Szenen sind auf Film-ähnliche Szenen zugeschnitten. „Gestalten Sie den Kampf gegen Pydracors Erben episch und gänzlich andersartig als alle Kämpfe, die Ihre Spieler in bisherigen Abenteuern erlebt haben. […] Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf!“ Das ist doch nichts anderes, als ein Zugeständnis: „Ich habe keine Ahnung, wie das gehen soll und will mir auch nicht die Arbeit machen, was aufzuschreiben.“

Wozu kaufe ich denn dann überhaupt ein Abenteuer? Für das Geld kann ich auch einen Fantasy-Roman kaufen, den ich selber zum Abenteuer umbaue. Der ist wahrscheinlich besser geschrieben.

Fazit: Wer eine (nicht besonders fesselnd geschriebene) Geschichte von der Südgrenze des Mittelreiches aus dem Jahre 32 Hal lesen möchte, ist mit dem Abenteuer gut beraten. Wer Hinweise zur Darstellung des Lebens in Almada braucht, wer Tipps benötigt, um südländische Stimmung zu transportieren, sollte das Heft unbedingt kaufen. Wer aber daraus ein Abenteuer ableiten will, dass er in seiner Spielrunde leiten möchte, muss noch sehr viel Arbeit reinstecken. Nicht, dass das besonders schwierig wäre, ist aber lästig. Szenen müssen sortiert werden. NSC müssen vorbereitet werden, so dass sie auch sinnvoll handeln können, wenn die Helden aus dem vorgegebenen Strang ausbrechen. Alternativen müssen überlegt werden, um die Geschichte nicht vor die Wand zu fahren, wenn etwas mal misslingt. Das ist die Schwierigkeit des Abenteuers, das ist der Grund, wieso es für den Meister von hoher Komplexität ist. Denn wenn sich die Helden so verhalten, wie es im Abenteuer vorgesehen ist, ist das Leiten des Abenteuers trivial.

Aus Spieler-Sicht kann das Abenteuer richtig gut sein – wenn der SL die Stimmung gut rüberbringt und die Gruppe das auch aufnimmt. Dann bekommt man einiges zu erleben. Leider ist der Handlungsspielraum recht klein und manche Dinge hängen daran, dass sich die Spieler richtig entscheiden. Also, bitte, liebe Spieler: Sucht nach den Spuren, die der Meister legt und folgt ihnen. Dann könnt ihr was erleben!
zuletzt geändert: 10.8.2008, 12:09
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