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DSA: [Rezension] Der Unersättliche (Blog) {Abenteuer, Rezension}
10.8.2008, 13:29
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Dom
Hier gilt wieder, wie so oft bei Abenteuer-Rezensionen: Willst du es noch spielen, so lies diese Rezension nicht. Du verdirbst dir den Spaß. Das Fazit am Ende ist spoiler-frei.

Spoiler zu "Der Unersättliche": (anzeigen)

Der Unersättliche ist ein DSA-Abenteuer aus dem November des Jahres 2006 und trägt die Nummer 146. Es spielt kurz nach dem Jahr des Feuers im Sommer 1029 BF und ist für erfahrene Helden ausgelegt. Die Beschriftung auf der Rückseite des Abenteuers verraten, dass es für 3–6 Spieler gedacht ist, für den Meister von hoher Komplexität ist und für die Spieler von mittlerer. Den Helden werden Interaktion, Kampffertigkeiten und Talenteinsatz abgefordert. Autor ist Chris „Elwin“ Gosse.

Das Format des Abenteuers ist A4, es kommt als fadengebundenes Hardcover daher. Es umfasst 80 Seiten und kostet 18 Euro (4,4 Seiten pro Euro). Druck und Bindung machen einen ordentlichen Eindruck. Auch mehrere Zugfahrten konnten der Haltbarkeit nichts anhaben. Das Bild auf der vorderen Umschlagseite zeigt einen glatzköpfigen Mann, der etwas gebeugt darsteht — in der rechten Hand hält er Gold und Geschmeide, in der anderen einen Stab. Die in grautönen gehaltene Figur hebt sich deutlich vom goldgelben Hintergrund — einer riesigen, gefüllten Schatzkammer — ab. Dem Inhalt nach zu urteilen handelt es sich bei dem gezeigten Mann um Xeraan, den Buckligen, den Unersättlichen. Leider macht der fast achzigjährige Herrscher Xeraaniens, der im Abenteuer als alt, faltig und kraftlos beschrieben wird, einen deutlich jüngeren Eindruck.

Die Innenillustrationen wurden von Felix Mertikat erstellt. Sie fangen die Stimmung größtenteils wunderbar ein und wirken durch ihre etwas unscharfen Linien durchaus lebendig. Einige Bilder sind mir persönlich jedoch etwas zu comichaft. Insgesamt fallen sie jedoch angenehm auf und sind fast durchweg als Handouts geeignet.

In der letzten Umschlagseite befindet sich eine Kunststofflasche und in ihr ein mit Land- und Stadtkarten bedruckter und gefalteter A3-Bogen. Drei kleinere Karten auf der Außenseite zeigen Schwarztobrien, Feuerhafen und Ilsur; die Innenseite nimmt der Stadtplan von Mendena ein, der Hauptstadt Xeraaniens. Die Karten sind von unterschiedlicher, zeichnerischer Qualität. Die Tobrien-Karte sollte alten Hasen aus den „Kreisen der Verdammnis“ (Abenteuer 116) bekannt vorkommen. Mendena und Feuerhaften wurden von Daniel Jödermann gezeichnet und hinterlassen einen aufgeräumten Eindruck. Die Ilsur-Karte ist offenbar als Intime-Karte gezeichnet und teilweise schlecht zu erkennen.

Zum Inhalt: Das Abenteuer ist in vier größere Abschnitte gegliedert.
Im ersten Teil heuern die Helden in Kunchom auf der Seeadler an, ein Schiff, dass schon aus der Abenteuer-Kampagne „Blutige See“ (Abenteuer 105) bekannt sein könnte. Einer der Mitreisenden ist Leatmon Phraisop der Jüngere. Er wird der zukünftige höchte Perainegeweihte sein, wie er sich den Helden auch vorstellt. Aber zunächst scheint er nur ein junger Novize zu sein, der eine etwas verrückte Vision hatte. Mit ihm gelangen die Helden zu einer kleinen Insel und erfahren dort eine Prophezeiung, in der der Krug der heiligen Lindegard erwähnt wird. Der wird in Xeraans Schatzkammer in Mendena vermutet. Die Helden nehmen Kontakt zum Xeraanischen Widerstand in Feuerhafen auf und kommen so nach Mendena. Leatmon erwartet die Helden in Ilsur und hofft auf eine Aufklärung seiner Visionen und der Prophezeiung.
In Mendena beginnt der zweite Teil. Die Helden müssen versuchen, herauszufinden, dass der Krug der heiligen Lindegard nicht in Xeerans Schatzkammer, sondern bei Xeeran persönlich zu finden ist. Dieser weilt jedoch gerade in der Baronie Maus und hält die Stellung gegen Helme Haffax, der südlich der Tobimora versucht, Xeraanien zu erobern.
Daher spielt der dritte Teil im Heerlager des Unersättlichen. Den Helden gelingt es, den Krug zu stehlen und ihn nach Ilsur zu schmuggeln, wo auch gleich der vierte und letzte Teil des Abenteuers stattfindet.
Die Stadt Ilsur wird größtenteils durch Rebellen gegen Xeraans Truppen verteidigt. Wieder gelingt es mit Hilfe des Xeraanischen Widerstandes, in die Stadt zu gelangen. Dort treffen die Helden wieder mit Leatmon zusammen. Bevor die Rätsel gelöst werden können, geschieht ein Mord, den es aufzuklären gilt. Es stellt sich heraus, dass ein Offizier ein Spion ist, der damit einen Angriff Xeerans auf die heiligen Quellen der Peraine vorbereitet hat. Die Helden können mit Hilfe des Kruges und eines Peraine-Wunders die Angreifer zurückschlagen und Xeraan vernichten.

Dabei habe ich nur den groben Abenteuerverlauf beschrieben; mehr ist auch gar nicht möglich. Denn mit dem Unersättlichen ist Chris Gosse etwas gelungen, was ich so nur selten in einem Kauf-Abenteuer gelesen habe: Der Weg ist ziemlich offen, dabei wird der Spielleiter aber niemals alleine gelassen. Am Anfang eines jeden Abschnittes wird der Aufbau des Kapitels erklärt. Die wichtigsten NSC werden jeweils mit ihren Zweck für das Abenteuer beschrieben, bei den Dramatis Personae im Anhang sind nur die vier wichtigsten Meisterpersonen beschrieben, die im Abenteuer eine herausragende Rolle spielen. In jedem Kapitel gibt es nicht den einen Weg; vielmehr werden fast immer mehrere Lösungsvorschläge gemacht, so dass der Meister auch flexibel auf die Spieler reagieren kann. Wichtige Informationen werden in grauen Kästen hervorgehoben, immer werden Vorschläge gemacht, wie der Spielleiter das Abenteuer an der einen oder anderen Stelle noch mit zusätzlichen Szenen erweitern kann. Nur das Ende des Abenteuers ist wirklich festgelegt und damit müssen die Helden ein paar Dinge „richtig“ machen: So kommt man am Ende um den Diebstahl des Krugs der heiligen Lindegard nicht herum — sonst müsste die Geschichte Aventuriens anders geschrieben werden. Gänzlich ohne solche Einschränkungen wäre ein Abenteuer von der Tragweite aber wohl auch nicht möglich.

Die Sprache ist locker und ungestelzt; der Autor spricht dabei den Spielleiter an und schafft es, sich nicht in vermittelalterlichtem Deutsch zu verlieren. Er teilt seinen Lesern mit, wie man die Ideen umsetzen kann. Dabei kann es dem einen oder anderen Spieler vielleicht etwas zu „neuzeitlich“ werden — mir aber gefällt es so ausgesprochen gut. Was mir auch noch positiv auffällt ist der Umgang mit den DSA4-Regeln. Es gibt keine Stelle, an der ich sagen würde: Das ist zwar dramatisch gut gewollt aber passt so nicht zu den Regeln. Vielmehr hat sich Chris auch Gedanken über mögliche Magie- und Liturgieanwendungen gemacht, inklusive der Berechnung von Probenzuschlägen. So wird dem Spielleiter viel lästige Arbeit abgenommen, so kann man sich praktisch nach dem Lesen des Buches hinsetzen und spielen.

Es ist aber auch nicht so, dass die Handlung der Helden keinen Einfluss auf das weitere Spielgeschehen haben. Ein kleines Beispiel aus dem ersten Kapitel: Eile ist geboten, könnten sich doch feindliche Schiffe nähern. Die Helden haben bei der Anlandung auf der kleinen Insel aber dummerweise mit lästigem Frühnebel zu kämpfen. Sie können versuchen, ihn mit magischen Mitteln zu vertreiben oder warten, bis er sich von alleine auflöst. Warten sie, werden sie nach ihrem Ausflug auf die Insel in ein Seegefecht verstrickt. Beeilen sie sich, können sie dem Feind, der am Horizont sichtbar wird, ohne Schaden entkommen.

Im Anhang enthält das Abenteuer neben einer recht ausführlichen Stadtbeschreibung von Mendena Informationen über den weiteren Verlauf der Geschichte von Schwarztobiren, so dass auch weiteren Abenteuern in der Gegend nicht viel im Wege stehen dürfte.

Fazit:

Wer ein modernes Abenteuer mit großen Freiheiten und großer Tragweite spielen möchte, sollte auf jeden Fall zugreifen. Die Helden werden auf ganzer Linie gefordert: Kampf, Verhandlung, heimliche Aktionen. Die Komplexität „hoch“ für den Spielleiter sollte nicht abschrecken. Der Spielleiter muss zwar viele NSC händeln, bekommt auf der anderen Seite aber eine fast perfekte Anleitung mitgeliefert, so dass sich auch Anfänger ohne Scheu an das Thema heranwagen können. Durch die Vierteilung des Inhaltes wird die Geschichte auch niemals unüberschaubar. Die Entscheidungen der Spieler und die Handlungen der Spielerfiguren ist relevant und haben eine deutliche Auswirkung auf die Umwelt. Es ist keinesfalls so, dass die Spieler am Gängelband durchs Abenteuer geleitet werden. Also: Ein rundum gelungenes Kaufabenteuer, insbesondere auch für alle Aventurien-Kritiker und Railroading-Hasser.
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