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RPG allgemein: Flüstern am Spieltisch (Blog) {Metstübchentreffen, Workshop, Geheimnisse, Spielleiten}
22.6.2011, 11:29
Dom (in Oedt)
In so mancher Rollenspielrunde ist es Sitte, dass nicht jeder Spieler alle Informationen bekommt. Aber ist das gut oder schlecht? Und wozu sollte man überhaupt gewisse Informationen anderen Spielern vorenthalten wollen? Was hat das für Konsequenzen? Fangen wir mit zwei Beispielen an.

Daniel spielt einen Schwarzmagier, der seine eigenen Pläne verfolgt. Er verlangt vom Spielleiter, dass dies ein Geheimnis bleiben soll. Er möchte nämlich nicht von Silvias Inquisitorin eingekerkert werden — Silvia hatte früher schon Charakter- und Spielerwissen vermischt.

Spielleiterin Paula geht mit Richard vor die Tür. Richards Charakter hat einen Traum, in dem er zukünftige Ereignisse vorausahnt. Sie möchte, dass nur er diese Informationen direkt erhält. Schließlich träumt auch nur Richards Charakter. Die anderen Charaktere sehen das Schauspiel ja nicht mit an, sondern schlafen seelenruhig.

Zwei von unzähligen Beispielen, in denen einigen Spielern Informationen vorenthalten werden. Mal geht die Initiative vom Spieler aus, mal vom Spielleiter. Mal dürfen die anderen Spieler wissen, dass es geheime Informationen gibt, mal soll selbst das vorenthalten werden. Mal werden Informationen direkt am Spieltisch über Zettelchen ausgetauscht, mal gehen Spieler vor die Tür, mal nutzen Spielleiter und Spieler Kanäle abseits von der normalen Spielrunden und treffen sich, telefonieren oder chatten.

In diesem Artikel möchte ich versuchen, einige Situationen vorzustellen, in denen Spielleiter Informationstrennung sinnvoll anwenden können. Dabei geht die Spielersicht natürlich etwas verloren — aber irgendwas ist ja immer ;-)

Stimmungsvolle Geheimnisse

Häufig ist es erwünscht, dass die Spieler eine bedrückte oder gefahrvolle Stimmung ihrer Charaktere nachempfinden können. Dies kann durch Informationsunterschiede zwischen den Spielern gefördert werden. Meist funktioniert dies in Spielrunden besonders gut, in denen entsprechende Systeme gespielt werden, z.B. Cthulhu.
Der Spielleiter kann dazu eine Szene mit einem einzelnen Spieler spielen. Diese zusätzliche Szene muss natürlich geeignet sein, um die Stimmung zu verdichten, indem z.B. der Charakter ein Geheimnis erfährt, das dieser nicht schnell genug den anderen Charakteren mitteilen kann. Oder der Spieler muss alleine eine schwerwiegende Entscheidung treffen.
Die Stimmung wird auf zwei Arten gefördert: Einerseits für den einzelnen Spieler, da er alleine mit einer schweren Situation fertig werden muss. Andererseits für die anderen Spieler, die über den Inhalt der Szene im Ungewissen gelassen werden.

Einbinden von Spielern

Hat der Spielleiter das Gefühl, dass ein Spieler im Spiel zu kurz kommt, kann er dessen Charakter einige der Informationen exklusiv zukommen lassen. Dadurch fließen die Informationen nicht direkt vom SL zur Gruppe, sondern werden durch den ausgewählten Spieler weitergegeben und durch seine Sicht gefärbt. Der Spieler bekommt dadurch eine herausragende Rolle und wird in den Mittelpunkt gestellt.
Bei diesen zusätzlichen Informationen kann es sich um eine Szene handeln, die nur der Charakter des Spielers erlebt, es kann sich um Informationen einer Recherche handeln oder auch um Sinneseindrücke, die nur der Charakter erlebt. Man kann sowohl „offene“ geheime Informationen benutzen (so dass alle Spieler wissen, dass der eine Spieler zusätzliche Informationen hat), als auch „geheime“ geheime Informationen, bei denen selbst das Vorhandensein geheimer Informationen geheim gehalten wird.
Hierbei ist zu beachten, dass die Informationen zwar in gewisser Weise relevant fürs Spiel, aber nicht entscheidend für das Fortkommen der Gruppe im Abenteuer ist. Sind die Informationen nicht relevant, so kann die zusätzliche Info das Vorhaben, den Spieler mehr in den Mittelpunkt zu stellen, ins Gegenteil verkehren. Ist die Informationen von entscheidender Bedeutung und nicht anders zu bekommen, besteht die Gefahr, dass der Spieler sie nicht vollständig oder korrekt an die restliche Gruppe weitergibt, was das Spiel extrem zäh werden lassen kann. Ideal ist hier ein Plan B, um die Info an die Gruppe zu bekommen.
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass sich andere Spieler benachteiligt fühlen, weil ihre Charaktere nicht in gleicher Weise eine Spotlight-Zeit bekommen. Oder der herausgehobene Spieler fühlt sich überfordert und war mit seiner unterrepräsentierten Rolle sehr zufrieden.
Insgesamt lässt sich sagen: Das verstärkte Einbinden eines Spielers durch zusätzliche Informationen birgt Chancen und Gefahren. Der Spielleiter sollte immer eine Alternative bereit halten, die er schnell und unkompliziert umsetzen kann.

Fördern von Charakterspiel

Der Spielleiter kann versuchen, durch das Trennen von Informationen das Schauspielern am Spieltisch zu fördern. Unterschiedliche Informationen regen an, dass sich die Spieler in ihren Rollen untereinander austauschen und gemeinsam planen.
Hierfür ist es sinnvoll, allen Spielern gleichmäßig unterschiedliche Informationen zu geben, so dass die Spieler auch wirklich angeregt werden, sich in ihren Rollen über die fehlenden Informationen auszutauschen.
Dies ist sicherlich kein Mittel, um Charakterspiel am Tisch zu erzwingen — jede Maßnahme kann natürlich immer von den Spielern unterlaufen werden. Aber dadurch, dass der Spieler nicht selber zwischen Spieler- und Heldenwissen trennen muss, wird der Weg zum Charakterspiel vereinfacht, was eventuell sogar immersionsfördernd ist (was auch immer Immersion genau sein soll).

Spielerwünsche erfüllen

Im ersten Beispiel oben hat nicht der Spielleiter, sondern ein Spieler nach geheimen Informationen verlangt. Es erscheint mir fraglich, ob ein solcher Grund (ein Spieler traut einem anderen Spieler nicht) eine gute Grundlage für das Spiel bedeuten kann. In einem solchen Fall würde ich immer einem Spielleiter raten, dem offensichtlichen Problem in der Spielgruppe auf den Grund zu gehen.

Auf der anderen Seite kann es natürlich auch gute und sinnvolle Spielerwünsche geben, Informationstrennung zu betreiben. Der Spielleiter sollte immer zusammen mit dem Spieler überlegen, wozu die Informationstrennung dient und ob sie in diesem Fall sinnvoll ist.

Umsetzung

Die Umsetzung von getrennten Informationen kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Wie oben angemerkt, kann es sinnvoll sein, sogar das Vorhandensein von geheimen Informationen geheim zu halten.
Bleiben wir zunächst bei den geheimen geheimen Informationen. Ein Spieler bekommt also Informationen, und die anderen Spieler wissen dies noch nicht einmal. Das kann man am Besten in einem separaten Treffen, über ein Telefongespräch außerhalb der Spielrunden, E-Mail o.ä. erreichen. Aber auch eine kurze Raucherpause eignet sich dazu. Wozu ist das gut? Entweder als reiner Spaß zwischen Spielleiter und Spieler — und hier sollte es zumindest die Stimmung und den Spielspaß fördern. Oder die geheime geheime Information ist dafür vorgesehen, nicht geheim zu bleiben. Dies dient dann eher da, dem Spieler eine Spotlight-Zeit zu gönnen.

Die offenen Informationstrennung ist einfacher in der Durchführung. Der Spielleiter kann die anderen Spieler aus dem Raum schicken (oder selbst vor die Tür gehen), um in Ruhe mit einzelnen Spielern eine Szene auszuspielen. Er kann kleine Informationshappen in Zettelform verteilen oder ausführliche Handouts an einen Spieler geben. All dies kann dazu dienen, die Stimmung zu steigern, einen Spieler in den Mittelpunkt zu stellen oder allgemein das Charakterspiel zu fördern.

Bei all diesen Vorteilen sollte man aber auch eventuelle Probleme nicht vernachlässigen. Zunächst einmal spielt die Gruppe eine zeitlang nicht zusammen. Dann dauert das Spiel üblicherweise länger, auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen (z.B. weil Entscheidungen vom Einzelspieler nicht mit den anderen diskutiert werden können). Überhaupt wird die Veränderung des Informationsflusses (vielleicht unerwünschte) Effekte nach sich ziehen: Informationen werden auf einmal anders gewertet, Spieler und Charaktere werden gefördert und unterdrückt, die stille Post verändert die Informationen.

Zusammenfassung

Die Trennung von Informationen kann den Spielspaß auf verschiedene Arten fördern: Die Stimmung wird gefördert, Spieler können in den Mittelpunkt gerückt werden, das Schauspielern am Tisch kann angeregt werden. Dabei helfen geheime geheime Informationen und offene Geheimnisse. Allerdings wird der Informationsfluss verändert, was die Spieldauer in der Regel erhöht und die Wahrnehmung von Informationen und Spielern verändert.

Anmerkung zum Schluss: Dieser Artikel ist entstanden als persönliche Zusammenfassung der Ergebnisse meines Workshops „Muster beim Spielleiten“ auf dem Metstübchen-Treffen 2011 in Sievershausen. Über viele einzelne Punkte besteht noch ausführlicher Diskussionsbedarf. Mal schauen, ob und wie ich das Thema noch weiter angehe. Vielen Dank an alle Teilnehmer, es was super mit euch!
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