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RPG allgemein: [Dom Denkt] 7. Der Hintergrund (Blog) {Hintergrund, Setting, Spielwelt, RPG Theorie}
31.7.2008, 14:22
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Dom
Dieser Artikel gehört in die Dom-Denkt-Reihe. Der vorhergehende Artikel ist 6. Auswirkungen der Vorlieben.
Was ist eigentlich dieser Hintergrund? Viele sagen: „Das System ist mir egal, der Hintergrund muss stimmen!“ Aber gehört das nicht alles irgendwie zusammen? Wo hört System auf und fängt Hintergrund an? Existiert der Hrintergrund auch ohne Rollenspiel?

Die Fragen sind tatsächlich nicht so einfach zu beantworten. Ich hatte diese Frage bereits im Oktober 2006 im GroFaFo gestellt und denke, für mich eine funktionierende Antwort gefunden zu haben.

Zunächst einmal zu den Begriffen: Ich möchte eigentlich immer Hintergrund sagen. Manchmal sage ich auch Setting, meine dann aber nichts anders als Hintergrund.

Irgendwie weiß jeder, was mit Hintergrund gemeint ist. Bei DSA ist es Aventurien oder Myranor. Bei D&D sind es beispielsweise die vergessenen Reiche. Bei Shadowrun 4 ist es die Erde in den 2070er Jahren.

Dann frage ich mal etwas genauer: Gehören folgende Dinge zum Hintergrund?

a) Die Borg sind ein seltsames Kollektiv, dass Würfelraumer baut.
b) Mein Charakter hat Stärke 11.
c) Pistolen machen W12 Schaden.
d) Magier der ersten Stufe können auswählen, ob sie „magisches Licht“ oder „Magie entdecken“ verbilligt für W4 Magiepunkte sprechen können

Bei a) wird wohl jeder sagen: Ja, gehört zum Hintergrund. Bei b) wird jeder sagen: Nein, gehört nicht zum Hintergrund. Bei c) ist es schon schwieriger. W12, ist das Hintergrund? Nein, wohl nicht. Die Aussage „Es gibt Pistolen“ wäre Hintergrund. Aber eine Aussage darüber, wie der Schaden ausgewürfelt wird, nicht. Zuletzt d). Ein ganz schwieriger Fall. Erstmal ist das eine Aussage darüber, was Anfänfer-Magier können. Das ist sicherlich Hintergrund. Gleichzeitig aber auch nicht, denn das Ganze hat ja auch direkt was mit dem Charakterbau und Werten zu tun. Unklar.

Ich habe das Ganze für mich wie folgt beantwortet: Hintergrund ist der Teil des Systems, der sich direkt auf die Fiktion bezieht. Direkt bedeutet: Ohne jegliche Interpretation. D.h. eine Angabe wie „5d6 Schaden“ wäre nicht Hintergrund. Eine Zufallstabelle aber eventuell schon.

Hintergrund gehört zum System? Wieso das? Ja. Ganz klar. Nach meiner Definition schon. Denn der Hintergrund ist immer explizit (vgl. Teil 5 meiner Reihe, ziemlich am Ende; Definition von „System"). Und das ist das, was ich System genannt habe, hierauf haben sich die Spieler geeinigt. Diese Einigung kann sehr grob sein: „Space Opera“ würde manchen Gruppen vielleicht schon reichen, es kann aber auch sehr detailliert sein, wie Aventurien beispielsweise. Es ist meiner Meinung nach auch sinnvoll, dass der Hintergrund zum System gehört, denn der Hintergrund hat einen großen Einfluss auf das, was im Spiel passiert. Und das sollte doch gefälligst mit dazugehören!

Alle die Mittel der Einigung, die explizit irgendwo festgehalten sind und nicht zum Hintergrund gehören, nenne ich einfach mal Regeln. Zur Abgrenzung, um nicht von Nicht-Hintergrund-Mittel-der-Einigung reden zu müssen. Damit können Aussagen im Regelbuch auch Mischungen von Hintergrund und Regeln sein. Nämlich dann, wenn sie so sind, wie Aussage d) oben. In den vorherigen Artikeln habe ich mit diesem Begriff geschludert und auch schonmal Dinge, die sonst niemand als Regel bezeichnen würde, so genannt. Damit ist jetzt Schluss!

Der Hintergrund ist übrigens praktisch niemals vollständig im gemeinsamen Vorstellungsraum. Stattdessen wird der Hintergrund benutzt, um sich auf den gemeinsamen Vorstellungsraum zu einigen. Genrekonventionen werden von den Spielern eingehalten, ihr Wissen aus den Quellenbüchern fließt ein. Und im Zweifelsfall wird nachgeschlagen, um ein Fakt für den gemeinsamen Vorstellungsraum zu finden. Der Hintergrund beeinflusst also den gemeinsamen Vorstellungsraum, ähnlich wie auch Regeln dies tun. Auch die wissen die Spieler entweder auswendig, oder sie schlagen sie nach und wenden sie an.

Regeln und Hintergrund können stark miteinander verquickt sein oder relativ lose nebeneinanderher existieren. Vor allem Universalsysteme sind so ausgelegt, dass möglichst wenig Hintergrund mit den Regeln verheiratet wird. GURPS gelingt das beispielsweise relativ schlecht; hier werden viele Regeln an die Tatsache geknüpft, „realistische“ Bedingungen auf der Spielwelt zu haben. Das sieht man auch an den GURPS-Quellenbüchern: Wären die Regeln tatsächlich universal, bräuchten in den Quellenbüchern keinerlei Zusatzregeln oder Anpassungen zu stehen. Minimalrollenspiele wie The Pool oder SEUCOR schaffen die Trennung von Hintergrund und Regeln erheblich besser.

Spiele wie beispielsweise Earthdwan oder Pendragon verbinden Hintergrund und Regeln sehr stark. Ich finde das gut – hat es doch den Vorteil, dass schon die Mechanik dieser Spiele Fakten produziert, die zum Hintergrund passen. Ich muss als Spieler, faul wie ich bin, nicht erst interpretieren, was „Ich bin ein Schütze im dritten Kreis“ nun in Barsaive bedeutet. Es heißt nämlich gerade soviel wie „Ich bin ein Schütze im dritten Kreis“! Im Gegensatz dazu muss ich den D&D-Sprech „Ich bin ein Kämpfer der dritten Stufe“ übersetzen nach „Ich bin ein Abenteurer, der sich aufs Kämpfen spezialisiert hat und noch nicht besonders mächtig.“ Denn „Kämpfer“ könnte auch heißen, dass es eigentlich der Sohn des Bäckers ist. Die Regelbegriffe „Kämpfer“ und „Stufe“ haben in der Spielwelt keine Entsprechung.

Letztendlich sind wir hier schon mitten im Thema, dass ich im vorherigen Artikel angesprochen habe: Die Rückkopplungen zwischen Spielern, Fiktion und Mitteln der Einigung. Da es sich beim Hintergrund um Mittel der Einigung handelt, kann ich die kaum einzeln betrachten, denn der Hintergrund beeinflusst, wie die Fiktion aussieht und wie wir spielen. Beim Stichwort „Space Opera“ wird wohl kaum einer ein Quellenbuch nehmen, darin blättern und sagen: „Also, im SpacePilots-Quellenbuch steht aber das und das drin…“ Vom Hintergrund ist also abhängig, was die Spieler tun und was im gemeinsamen Vorstellungsraum passiert.

In diesem Zusammenhang fallen mir noch die Leute ein, die sagen: „Aufs System kommt es nicht an, nur der Hintergrund ist wichtig.“ Ok, ich könnte jetzt sagen: „Klar kommt es auf das System an, weil es ja gerade die Mittel der Einigung sind, mit denen du spielst. Und auch der Hintergrund gehört dazu.“ (Ich sag nur „System matters!") Das ist aber ja gar nicht gemeint, also wäre eine solche Antwort quatsch. Mit System meint eine solche Person die Regeln, die aufgeschrieben wurden und eben nicht Hintergrund sind. Gesagt wird das doch meist von Leuten, die „regellos“ spielen. Das bedeutet jetzt nicht, dass sie auf alle Mittel der Einigung verzichten; das geht nicht. Vielmehr meine ich (und auch diese Leute) mit „regellos“, dass sie praktisch ohne explizite Mittel der Einigung spielen – Hintergrund ausgenommen. Das bedeutet aber, sie spielen prakisch immer mit demselben System und tauschen nur den Hintergrund aus. Die verwendeten Mittel der Einigung sind also im wesentlichen vom Hintergrund gelöst. Leute, die das sagen, benutzen meiner Erfahrung nach die von einem Spiel vorgesehenen Regeln tatsächlich nur sehr selten. Dass solche Leute mit ihrer Aussage Recht haben, ist trivial — denn wenn sie die vorgeschlagenen Regeln nicht verwenden, kommt es darauf auch nicht an. Damit verpassen solche Aufs-System-Kommts-Nicht-An-Spieler auch Teile des Spieles. Aber vielleicht wollen sie die Dinge auch nicht erleben, weil ihnen Würfelei nichts gibt. Jedem das seine.

Zuletzt möchte ich noch was zum Begriff Spielwelt loswerden. Für viele ist Spielwelt synonym zu „Hintergrund“ — und normlerweise würde ich darüber auch gar nichts schreiben, wenn es nicht letztens im Tanelorn eine Diskussion darüber gegeben hätte. Meinem Verständnis nach ist Spielwelt der Hintergrund – plus all dem, was es im gemeinsamen Vorstellungsraum gegeben hat und geben wird. Dabei ist der gemeinsame Vorstellungsraum „stärker“, d.h. bei Widersprüchen gilt das, was im gemeinsamen Vorstellungsraum liegt. Das bedeutet, niemand kennt die gesamte Spielwelt. Ist schon der Hintergrund oft genug nicht vollständig bekannt, so erst Recht nicht die Spielwelt. Was auch immer in der gemeinsamen Vorstellung geschehen wird, ist mit Sicherheit Teil der Spielwelt. Aber kennt das jemand? Nein. Warum nicht? Weil es diese Teile der Spielwelt noch nicht gibt! Die Spielwelt entsteht also im Spiel, sie ist für jede Spielrunde individuell.
Mal wieder eine kleine Zusammenfassung: Der Hintergrund ist alles das, was explizit festgehalten ist und sich direkt auf die Fiktion bezieht. Regeln sind die Mittel der Einigung, die explizit festgehalten und nicht Hintergrund sind. Spielwelt ist der Hintergrund und alles, was im gemeinsamen Vorstellungsraum passiert. Und die Leute, die sagen: „Auf Regeln kommt es nicht an!“, die haben zwar in ihrem Sinne Recht, spielen aber anders, als die Spieleautoren es vorgesehen haben.
Das nächste Mal wird es um eine Sammlung von Kleinigkeiten gehen, die alle irgendwie mit dem Thema zu tun haben. Mal sehen, was ich alles ausgraben kann :)

zuletzt geändert: 10.8.2008, 14:14
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