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RPG allgemein: [Dom Denkt] 6. Auswirkungen der Vorlieben (Blog) {Vorlieben, kreative Agenda, RPG Theorie}
27.7.2008, 13:31
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Dom
Beim letzten Mal habe ich was zu den Mitteln der Einigung gesagt. Damit sind die Einzelbetrachtungen zu Ende; ich hatten außerdem bereits die Spielrunde und die Fiktion beschrieben. Um die einzelnen Teile nicht im leeren Raum stehen zu lassen, kommen nun einige Zusammenhänge, die ich in den vorherigen Artikeln nur angedeutet habe. Speziell wird es hier um die persönlichen Vorlieben der einzelnen Spieler und die kreative Agenda der Gruppe gehen.
Schaut man sich die persönlichen Vorlieben der Spieler an, so fällt auf, dass sie das gesamte Spiel beeinflussen. Optimiert ein Spieler gerne seinen Charakterwerte, werden diese Werte auch in der Fiktion eine Rolle spielen – viel mehr als bei Spielern, die sagen: Es kommt doch eigentlich nur auf das Darstellen der Charaktere an, Werte sind mir egal! Begründen erstere bestimmte Handlungen mit ihren Werten, so beziehen sich letztere viel eher auf Geschichte und Dramatik. Auch die Mittel der Einigung werden beeinflusst. So greift ein Optimierer viel eher nach den Würfeln als ein Darsteller, der eine Situation lieber „ausspielt“.

Wirft man dagegen einen Blick auf die kreative Agenda, so fällt auch hierbei auf, dass sie das gesamte Spiel beeinflusst. Die obigen Beispiele gelten genauso auch für die Agenda – mit dem Unterschied, dass der Spaß, den ein einzelner Spieler dabei hat, nicht aus sich heraus kommt, sondern durch die Zustimmung der Anderen erzeugt wird.

Meiner Erfahrung nach ist die kreative Agenda stärker als die persönlichen Vorlieben. Einzig und alleine eine totale Abneigung kann einen Spieler dazu bewegen, sich gegen die Vorgaben der Agenda zu stellen. Die Anerkennung durch die Anderen, der Spaß in der Gruppe und das Zuschauen überwiegen normalerweise den eigenen Vorlieben.

Konkretes Beispiel: Ich kann Fußball-Schauen nicht viel abgewinnen. Ok, zur Fußball-WM oder -EM schaue ich schonmal. Aber Bundesliga ist für mich ähnlich wichtig wie der Rasenmäher des Nachbarn: Wenn ich davon ab und zu was mitkriege, interessiert es mich nicht – wenn es zu viel wird, nervt es. Aber wenn ich mal ins Stadion gehe (weil mir jemand Karten schenkt), dann tue ich das gerne und verfolge das Spiel interessiert. Ich habe dabei meine Einstellung gegenüber dem Fußball nicht geändert. Viel mehr reißt micht die Stimmung der anderen Zuschauer mit, die Arme fliegen von alleine hoch, wenn die richtige Mannschaft (d.h. die Manschaft, für die die mich umgebenden Zuschauer jubeln) ein Tor schießt.

Hat denn jede Spielrunde eine krative Agenda? Nein. Manche Runden spielen einfach drauflos, jeder mehr oder weniger für sich. Der Spielleiter koordiniert alles und es kommt ein mittelmäßiges Spiel am Ende raus. Jeder bedient seine eigenen Vorlieben. Es kann auch richtig scheiße werden, wenn die einzelnen Vorlieben sich gegenseitig behindern. Typische Probleme heißen „Powergamer“ und „Ego-Darsteller“. Ersteres sind konsequente Optimierer in einer eher darstellerorientierten Spielgruppe, letztere sind rücksichtslose Darsteller in einer eher werteorientierten Spielgruppe. Das sind wohl die häufigsten Probleme in Spielgruppen, von denen ich erfahren habe. Beides sind aber letztendlich Probleme, dass Leute ihre persönlichen Vorlieben (unabsichtlich) gegen die anderen verwenden.

Das Problem an diesem Problem sind die Auswirkungen: Man kommt mit den Leuten privat und in der Gruppe vielleicht gut klar. Aber im Spiel ist es irgendwie doof: Die Leute bringen blöde Fakten ins Spiel ein, sie benutzen doofe Mittel der Einigung. Und um von hier auf den Menschen und seine Vorlieben zu schließen, muss man schon etwas Durchblick haben. Viele haben den Durchblick nicht, denn wenn in irgendeinem Forum das Thema „Hilfe, ich habe Probleme mit einem Charakter“ aufkommt, hagelt es meist Tipps von der Art „Dann bestrafe den Charakter, wenn der so was blödes macht“. Diese Leute haben nicht verstanden, dass man an den Spieler gelangen muss, nicht an den Spielcharakter.

Gibt es eine kreative Agenda, sind solche Probleme wesentlich unwahrscheinlicher, sie können aber dennoch auftreten. Genauer: Gibt es tatsächlich eine Agenda, können die Probleme nicht auftreten, denn die Spieler ziehen ja alle an einem Strang. Das Problem kann aber noch auftreten, wenn alle bis auf einen Spieler eine Agenda haben, dieser eine Spieler jedoch aus irgendwelchen Gründen außerhalb steht. Vielleicht hat der Spieler nicht gemerkt, was die anderen gerne möchten; vielleicht wehrt er sich auch dagegen, weil er den Spielstil absolut nicht mag. Dann ist es sinnvoll, mit diesem Spieler über die Probleme zu reden und versuchen, eine Lösung zu finden; und zwar eine Lösung, die möglichst nicht in der Spaltung der Spielgruppe endet.

Aber wie kommt man jetzt zu einer kreativen Agenda? Schwierig zu sagen. Drüber reden hilft vielleicht, jedoch ist es sehr schwierig, präzise auszudrücken, was man möchte. Auf eine Agenda einigt sich eine Gruppe einfacher mit Hilfe nonverbaler Kommunikation, einfach durch gegenseitigen Applaus. Dabei helfen ein paar Ideen:
- Die Spieler sollten ihre Freude wirklich ausdrücken. Ausrufe ("Cool!"), Lachen oder Beifall helfen dabei, auch wenn es Anfangs ungewohnt ist. Wenn keine Ausrufe kommen, kann ein Spieler auch ruhig mal nachfragen: „Ist das nicht toll?“
- Auch Ablehnung sollte offen geäußert werden: „Nee, das finde ich jezt nicht so toll. Wäre es nicht besser …“
- Der Spielleiter als Moderator kann versuchen, die persönlichen Vorlieben der Spieler anzuspielen. Dadurch fühlen sich die Spieler in ihren Bedürfnissen verstanden. Wenn sie dann ihre Begeisterung ausdrücken, merken die anderen, was sie gerne mögen. Andererseits könne die Spieler dann auch das gelernte wieder zurückgeben.
- Jeder Spieler sollte darauf achten, wie die anderen auf Vorschläge reagieren. Kommen die Sachen schlecht an, so sollte er ähnliche Vorschläge in Zukunft unterlassen. Kommen sie gut an, so ist es wohl der richtige Weg.

Aber eine Gruppe kann doch ihre Agenda auch ändern, oder? Ja. Meiner Meinung nach können die Wechsel sogar recht schnell hintereinander kommen; gerade noch habe die Leute im Kampf die taktischen Finessen ausgelotet, parlieren sie im nächsten Moment angeregt in gestelzten Worten eines Adligen. Vielleicht ist es auch eine Agenda, die mit „Bedingungen“ ausgestattet ist, ich weiß es nicht. Ist aber eigentlich auch egal, wichtig ist, dass die Spieler wissen, welche Art von Kreativität gefragt ist.

In diesem Zusammenhang ist auch noch wichtig, dass es im Spiel Rückkopplungen gibt. Alle drei Teile — Gruppe, Fiktion, Mittel der Einigung — beeinflussen sich gegenseitig. Ich habe oben gesagt, dass die Vorlieben der Spieler die Fiktion und die Mechanik beeinflussen. Umgekehrt beeinflussen aber auch Fiktion und Mechanik die Spieler, indem die Spieler beispielsweise neue Ideen kennenlernen und ihre Meinung gegenüber bestimmten Spielweisen ändern. Genauso haben die gewählten Mittel der Einigung einen Einfluss auf die Fiktion (so kann z.B. ein D&D-Wizard keine Heilsprüche sprechen) und die Fiktion beeinflusst die Mittel der Einigung, indem z.B. Hausregeln eingeführt werden, weil die Regeln die Fiktion nur unzureichend unterstützen.
Soviel zu den Zusammenhängen der drei großen Teile „Spielgruppe“, „Fiktion“ und „Mittel der Einigung“ auf Basis der Vorlieben der Spieler. Beim nächsten Mal will ich, wie schon angekündigt, was zu „Hintergrund“ schreiben. Hier gehts weiter.
zuletzt geändert: 10.8.2008, 14:08
27.7.2008, 19:47
Irian
Hallo Dom,

vielen Dank, dass du mich auf diese Serie aufmerksam gemacht hast. Sehr interessant, insbesondere für jemanden wie mich, der es mit der Rollenspieltheorie nicht so hat. Bis auf Teil 5, der sich mir leider nicht erschlossen hat, fand ich alles nachvollziehbar — was das für mein Spiel bedeutet, muss ich mir auf jeden Fall noch überlegen ;)
27.7.2008, 20:24
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Dom
Ja, mit Teil 5 bin ich auch nicht wirklich zufrieden. Ich weiß nur leider nicht so genau, wie ich den am Besten verbessere…

Aber ich bin ja noch nicht am Ende angekommen :)
zuletzt geändert: 27.7.2008, 20:24
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