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RPG allgemein: [Dom Denkt] 3. Die Spielrunde (Blog) {Spieler, Spielrunde, Vorlieben, kreative Agenda, RPG Theorie}
19.7.2008, 10:29
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Dom
Zum vorhergehenden Artikel: 2. Ein Überblick
Von der Spielrunde habe ich ehrlich gesagt nur eine vage Vorstellung. Das liegt vor allem daran, dass ich wenig Ahnung von gruppendynamischen Prozessen und der entsprechenden Psychologie habe. Hier wäre ich dankbar, wenn Leute, die mehr Ahnung auf diesen Gebieten haben (oder sich mit etwas auskennen, was hier noch reinspielt), ein paar Anmerkungen machen würden.
Die Spielgruppe (oder auch Spielrunde) besteht aus Spielern. Das hatte ich ja schon beim letzten Mal gesagt. Dabei ist für mich jeder ein Spieler, der am Erzählspiel aktiv teilnimmt. Im Normalfall sind das alle diejenigen, die gemeinsam am Tisch (in der Runde, auf dem Fußboden, wo auch immer) sitzen, denn unbeteiligte Personen oder Zuschauer sind nur selten dabei. Auch solche Personen beeinflussen sicherlich das Spiel – ich möchte sie dennoch nicht zur Spielrunde zählen, da die nur indirekten Einfluss auf den gemeinsamen Vorstellungsraum ausüben. Genauso wie die restliche Umwelt auch einen indirekten EInfluss auf das Spiel hat: Straßenlärm, Sommerwetter, Müllgestank. Die Zusammenhänge lassen sich aber nur schwer fassen – also lasse ich sie in meinen weiteren Betrachtungen weg. Es gibt diese Dinge, eventuell muss man sie auch in eine Problemanalyse einbeziehen — jedoch entziehen sie sich meiner Betrachtung und Kenntnis.

Bleiben wir also bei den Spielern. Wie im Überblick schon gesagt, gibt es einen Gruppenvertrag. Auch dieser steht außerhalb des Spieles, auch dieser wirkt nur indirekt. Trotzdem ist er da und hat Auswirkungen, wie auch die restliche Umwelt. Aber immerhin betrifft er direkt die Spieler, daher ein paar Worte noch hierzu.

In meinen bisherigen Spielgruppen gab es nie niedergeschriebene Formulierungen, die die Beziehung der Spieler untereinander regeln sollten. Bei mir hat es immer so funktioniert – allerdings auch nicht immer gut. Manchmal wäre ein Schriftstück vielleicht sinnvoll gewesen. So beispielsweise in der eingeschlafenen DSA-Runde; vielleicht wäre sie nicht eingeschlafen, wenn wir regelmäßige Treffen (z.B. der letzte Samstag im Monat) festgeschrieben hätten.

In unserer laufenden Earthdawn-Runde haben wir uns explizit darauf geeinigt, zu Beginn des Spielabends bei KimKim zu bestellen. Das steht zwar nirgendwo, wir haben das aber ganz am Anfang so festgelegt. Und so ist es jetzt, das gehört eben dazu. Wir spielen immer am selben Ort und haben dort immer dieselbe Sitzordnung. Und wenn Jens sich um seinen Sohn kümmern muss, dann kommt er später. Wir warten aber nicht unbedingt auf ihn. All dies gehört zum Gruppenvertrag. Wenn etwas auf dieser Ebene nicht klappt, dann sollte man es auch auf dieser Ebene ansprechen und ändern (z.B. zu spät kommen).

Aber auch die Einigung auf Hausregeln gehört nicht direkt zum Spiel, sondern zum Gruppenvertrag. Die Hausregel selbst wird dann Teil des Systems, aber die Einigung auf die Hausregel passiert außerhalb. Überhaupt ist die Frage, welches Spiel gespielt wird nicht Teil des Erzählspieles, sondern Teil des Gruppenvertrages. Es kann auch sein, dass eine grundsätzliche Zuordnung von Spielern zu Rollen außerhalb des Spiels festgelegt wird. Wir haben uns in der Earthdawn-Runde darauf geeinigt, dass Heike die Spielleiterin ist und der Rest Charaktere spielt. Klar, die Rollen selbst und die damit zusammenhängenden Kompetenzen sind Teil des Spiels, Teil des Systems. Die Festlegung findet aber außerhalb des Spieles statt, das ist eine Festlegung, die auf Gruppenebene getroffen wurde.

Nun besteht eine Spierunde aber aus Spielern. Und diese Spieler haben unterschiedliche Bedürfnisse, unterschiedliche Vorlieben, unterschiedliche Ansichten. Ich nenne die mal persönliche Vorlieben. Das sind erstmal alles Dinge, die nichts mit dem Spiel zu tun haben. Trotzdem legen sie natürlich fest, wie die einzelnen Leute reagieren. Die direkt spielbezogenen Vorlieben wurden ja auch schon hinreichend oft beschrieben; die bekannteste Beschreibung dürften die Spielertyen nach Robin Laws sein. Es gibt Optimierer, Frustbomber, Erzähler, Darsteller, Taktierer, Spezialisten, Gelegenheitsspieler. Statt die hier alle zu beschreiben, verweise ich einfach mal auf Sven, der eine deutsche Übersetzung von Laws Text bereitstellt. Diese Einteilung ist aber nur eine mögliche, und man muss sich im Klaren darüber sein, dass es Mischformen gibt und es auch Spieler geben kann, die sich überhaupt nicht in dieses Muster einordnen lassen. Man kann auch noch andere Einteilungen finden, z.B. nach Genre. Die eine mag Western, der andere Liebesschnulzen, der dritte ScienceFiction und die vierte klassische Fantasy. Die Zahl der Vorlieben ist Legion.

Letztendlich geht es doch aber darum, dass das Spiel allen Spielern gleichermaßen gefällt. Ich behaupte mal, das ist das Ziel eines jeden geselligen Abends – also auch das Ziel eines Rollenspielabends. Irgendwie kann es also nicht sein, dass die persönlichen Vorlieben alles sind, denn dann bräuchte man sich nicht mit anderen Leuten zu treffen, sondern könnte sich vor den Fernseher, den Computer oder ein Buch hängen und das tun, was einem gefällt. Es muss also etwas geben, was das Gruppenerlebnis leisten kann, was ein Solo-Abend nicht leistet. Von all dem, was ich bisher gesehen habe, ist es die Bestätigung, der Beifall der anderen für tolle Ideen. Sei es, dass man beim Skat gewinnt oder die anderen über einen Witz lachen. Die zweite Sache, wieso ein Treffen mit anderen Leuten besser ist als ein Solo-Abend ist die „Show“, die die anderen liefern. Man wird überrascht, man lacht, man gibt Bestätigung. Kann sich andererseits jemand in eine Runde nicht einbringen oder findet zumindest Gefallen an der Show der Anderen, so wird das Treffen (für diesen Jemand) doof.

Beim Rollenspiel geht es aber um die Fiktion, den gemeinsamen Vorstellungsraum. Das bedeutet doch, dass wenn Leute gerne rollenspielen, sie es machen, weil sie am gemeinsamen Vorstellungsraum interessiert sind. Weil sie Bestätigung von anderen bekommen, wenn sie selbst gute Ideen habe. Weil sie überrascht werden wollen, was die anderen so einbringen. Das ist es nämlich, was die Gruppe mehr leistet als ein Tagtraum; das ist es auch, was ein Rollenspiel von einem anderen Spiel unterscheidet. Okay, es mag Ausnahmen geben: Diese heißen nach Laws Gelegenheitsspieler. Sie würden auch was anderes spielen, sich unterhalten oder ins Fußball-Stadion gehen. Aber auch diese Leute haben zumindest keine Abneigung gegen die gemeinsame Fiktion, auch wenn es nicht ihr Hauptantrieb ist.

Und um in der Gruppe Spaß zu haben, müssen die Spieler alle kreativ an einem Strang ziehen. Sie müssen auf einer Wellenlänge sein. Klar, jeder möchte seine persönlichen Vorlieben ausleben. Wenn jeder Spiele diese aber ohne Rücksicht auf Verluste anbringt, bekommt er keine Zustimmung (es sei denn, die anderen sind voll auf seiner Linie). Umgekehrt wird es auch schnell langweilig: „Jetzt geht der mit seinem Magier schon wieder in ein Badehaus, dabei jagen wir doch das Monster!“ Kurz gesagt: Die Spieler müssen sich auf etwas einigen, woran alle Spaß haben. Sie müssen wissen, was kreativ im Spiel zu tun ist. Wie so oft, geht dies meist ohne explizite Worte vonstatten; die Spieler merken an der Reaktion der anderen, was gefällt. Manchmal geht das schief – das sind dann die Problemspieler, die ohne Rücksicht auf die Gruppenkonvention ihren Charakter optimieren oder sich ständig ins Rampenlicht drängen.

Einen sicheren Weg zu einer solchen kreativen Agenda gibt es meines Wissens nach nicht. Eine Möglichkeit ist es, dass der Spielleiter als Moderator versucht, die persönlichen Vorlieben der Spieler zu erkennen und das Spiel so zu lenken, dass diese erfüllt werden. Durch das Anerkennen der anderen Vorlieben schafft der Spielleiter eine Atmosphäre des Verständnisses füreinander. Das wiederum führt dazu, dass sich die Spieler darin bestätigt sehen, wie sie sich ins Spiel einbringen. Sie haben selber mehr Spaß am Spiel und können dies an die anderen weitergeben. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum die Spiel-Tipps in Robin's Law of Good Gamemastering so erfolgreich sind.
Für die Forgianer: Ich denke mal, dass mein Begriff der kreativen Agenda mit dem der Forge weitestgehend übereinstimmt. Nun gibt es ja noch die drei Buchstaben G, N und S, die häufig mit Spielervorlieben gleichgesetzt werden. Das ist falsch, denn hierbei handelt es sich um kreative Agenden. G steht für „Gamism“, d.h. dass die Gruppe gewinnorientiert spielt. N bedeutet „Narrativism“; der Gruppe kommt es auf die Geschichte der Charaktere an. S wiederum heißt „Simulationism“, hier steht die Entdeckung der Spielwelt im Vordergrund. Wichtig hierbei ist: Diese Einteilung ist grob, d.h. es wird gesagt, was über einen relativ langen Zeitraum im Vordergrund steht.

Ich halte die Begriffe G, N und S nicht für falsch, nur für sehr missverständlich und unpraktisch, weswegen ich sie nicht gerne gebrauche. Jede Gruppe muss meiner Meinung nach ihre eigene Agenda finden — und auch zwei Agenden, die man beide als Gamism bezeichnen würde, können sehr unterschiedlich aussehen und inkompatibel sein. Beispielsweise beschreibt Skyrock in seinem ARS-Manifest eine Spielart von Gamism, bei der die Spieler versuchen, sich gegenseitig zu übertreffen und dennoch gemeinsam vorgehen. In anderen Runden kann es sein, dass es darauf ankommt, tatsächlich die anderen fertig zu machen und zu gewinnen. Conquer the Horizon ist ein Beispiel für ein Rollenspiel, welches diese Spielart fördert.

Also: Möglichst jeder Runde ihre kreative Agenda. Keine Frage, das ist gut. Aber die Einteilung in G, N und S ist sehr grob.
So, wieder eine kurze Zusammenfassung: In jeder Spielgruppe gibt es einen Gruppenvertrag, der sich auf das Spiel auswirkt, indem z.B. Hausregeln festgelegt werden. Zudem besteht die Gruppe aus Spielern mit persönlichen Vorlieben. Über diese Vorlieben kann die Gruppe zu einer kreativen Agenda gelangen, d.h. die Spieler bestätigen sich gegenseitig für ihr Spiel. Deswegen macht Rollenspiel Spaß, eine kreative Agenda sollte also das Ziel jeder Gruppe sein.

Achja, weiter gehen wird im vierten Teil mit der Fiktion.
zuletzt geändert: 10.8.2008, 14:10
19.7.2008, 10:50
Der Mönch
Dom, ich finde deine Reihe bisher sehr interessant! :)
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