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23.11.2007, 20:28
E-Mail – WWW
Dom
Nein, ich habe mich nicht vertan, es geht mir tatsächlich um DSA. Ja, ich weiß, es ist mein drittes Blogs aktuell innerhalb vier Tagen. Nein, ich weiß, das Original, auf das ich mich beziehe, geht um D&D und nicht um DSA.

Worum gehts? Chris Chinn hat Überlegungen angestellt, was eigentlich so schlimm am Tod eines (D&D-)Charakters ist. Und er ist zu folgendem Schluss gekommen: Das blöde ist die Downtime, d.h. die Zeit, in der man nicht spielen kann. Bei einem Computerspiel dauert es nur Sekunden, bis man wieder drin ist. Bei einem German Game gibt sich der Autor große Mühe, dass die Wartezeiten nicht zu lang werden. Und bei D&D braucht man ne Weile, bis man den Charakter zusammen hat. Man muss überlegen, was man spielen will, man muss überlegen, in welche Richtung man geht, welche Feats man wählt usw. Strategische Überlegungen, die eine ganze Zeit dauern und die mit dem Tod eines Charakters weggeworfen und neu gemacht weden müssen. Und dazu kommt dann noch, dass man warten muss, bis es einen günstigen Einstiegspunkt für den neuen Charakter gibt, selbst wenn man noch 25 fertige auf Lager hat. Das dauert zumindest bis zum Kampfende, was eine ganze Weile sein kann. Chris kommt jedenfalls zu dem Schluss, das der Tod eines Charakters für das Spiel wenig hilfreich ist.

Eine mögliche Schlussfolgerung daraus ist: Cooler wäre es, wenn die Charaktererschaffung nur kurz dauert und man gleich wieder mitmachen könnte. In diesem Fall wäre der Tod eines Charakters ok.

Jetzt möchte ich zu DSA kommen: Hier sieht meiner Meinung nach anders aus. Zwar dauert hier auch die Charaktererschaffung lange, tendenziell länger als bei D&D, aber die Downtime ist mMn nicht das große Problem. Eher ist es wohl die Arbeit am Hintergrund und die emotionale Bindung, die viele DSA-Spieler zu ihrem Charakter aufbauen, schmerzlich.
24.11.2007, 01:32
Skyrock

Zitat:

Eher ist es wohl die Arbeit am Hintergrund und die emotionale Bindung, die viele DSA-Spieler zu ihrem Charakter aufbauen, schmerzlich.
Genau das ist es aber was uns ARSler dazu treibt das Risiko zu suchen: Ohne Gefahr für das Ding, zu dem wir emotionale Bindung haben, geht die Intensivitätssteigerung entweder ganz verloren und wird abgeschwächt (etwa wenn nur noch Missionsziele in Gefahr sind, nicht mehr aber die eigene Personage).

Ansonsten muss natürlich immer eine Chance bestehen um den Tod abzuwenden (generell cleveres Spiel, Gummipunkte etc.), und man sollte sich darum bemühen Wartezeiten kurz zu halten oder dem Spieler anderweitig Beschäftigung zu verschaffen.
Bei Savage Worlds kämpfen etwa meistens namenlose Extras mit den SCs, und wenn ein SC ausscheidet so kann der Spieler sich immer noch mit der Lenkung der Extras beschäftigen.
In anderen Spielen empfiehlt es sich dem Spieler übergangsweise einen geeigneten NSC in die Hand zu drücken wenn die Charaktererschaffung zu lange dauern würde.

Bei Mazeprowl begegne ich dem Wartezeitenproblem mit Regeln um Connections in SCs umzuwandeln: Das sind auf dem Charakterbogen stehende Personen zu denen der SC sowieso schon eine Bindung hat und auch wertetechnisch schon ausstaffiert sind. Dann geht der Spieler eben hin, buttert seine letzten Egopunkte in die Connection (sie nützen ihm sowieso nichts mehr wenn der SC schon tot ist), führt die Handvoll Änderungen durch die für die Umwandlung in SCs notwendig sind (z.B. Loyalität in Edge ändern, Reputation auf 1.0 setzen) — und schon hat er zum einen einen Teil seines Charakters über die ihm nahestehenden Personen im Spiel gehalten, zum anderen hat er einen Charakter in der Hand den er gleich spielen kann.
Im Notfall kann er immer noch Egopunkte ausgeben um einen rumstehenden neutralen NSC zur Connection zu machen, diesen umwandeln und dann diesen zu spielen (und sei es dass der NSC retroaktiv eingefügt wird, etwa eine dort arbeitende Sekretärin die sich als Jugendfreundin des toten SCs erweist und darum zur Waffe greift).
Wenn die Charaktere aber mitten im Prowl sind, keine geeigneten NSCs einführbar sind, die SCs auch keine Schergen dabei haben die man übernehmen könnte — well, dann gibt es sowieso keinen plausiblen Weg um dem Spieler einen Charakter zu verschaffen.
24.11.2007, 02:24
Hackfleischkannibale
Ich sehe das im DSA-Bezug ähnlich wie Dom, wobei ich finde, dass die Charakterbindung bei DSA teilweise schon ätzende Züge annimmt. Es scheint einige Leute zu geben für die DSA mit ihrem Charakter gleichbedeutend ist, was auch bei der Heldengruppenzusammenstellung nerft — entweder es passen sich alle an diesen Spieler an, oder es gibt seltsame Gruppen (letzteres ist wohl meist eher der Fall, weil normalerweise jeder seine speziellen Wünsche zu seinem Charakter hat).

Was mir zu den Hintergrundgeschichten auch so aufgefallen ist: Man schreibt zwar seine Hintergrundgeschichte irgendwie immer nur für sich, versucht dann aber im Spiel alle Charaktere zusammenzubinden, was gern darauf hinausläuft, dass sich eine Hintergrundgeschichte als der Gruppenhintergrund durchsetzt (habe ich zumindest so erlebt).
Würde man sich darauf spezialisieren, indem man wirklich einfach eine Gruppen-Hintergrundgeschichte schreibt, an der irgendwie alle Helden hängen, könnte auch ein einzelner Charakter sterben, ohne dass plötzlich 5 Seiten Hintergrund (plus Gedankenmaterial für 5 weitere) obsolet werden. Dann schreibt man nur noch auf, wo der nächste Charakter an den Gruppenhintergrund anknüpft, was er mit dem Rest der Gruppe nicht gemeinsam hat, und fertig ist der Hintergrund. Dann wäre Charaktertod zwar immer noch doof, aber nicht mehr ganz so tragisch.

Also in kurz: Man schreibe eine Gruppenchronik, anstatt 3/4/5 Autobiographien. Letztere wenn schon zusätzlich, und auch dann achte man darauf, so viel wie möglich in die Chronik zu tun.

Auch in Bezug auf Charaktertod: Ich spiele in letzter Zeit mit dem Gedanken, die Lebenspunkte komplett zu streichen und nur noch ein Wundsystem zu fahren. Tot ist ein Charakter dann, wenn alles andere keinen Sinn mehr macht.
24.11.2007, 10:45
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Dom
@Hackfleischkannibale: Das mit den Biographien kapiere ich nicht so ganz. Die Charakterbiographien beziehen sich doch nur auf den einen Charakter, oder ist da auch der Rest der Gruppe mit einbezogen?

Zum Wundsystem: Ja, ist ne reizvolle Idee, keine Frage. Hab ich bei StoryDSA auch so gemacht.

@Skyrock:

Zitat:

Genau das ist es aber was uns ARSler dazu treibt das Risiko zu suchen: Ohne Gefahr für das Ding, zu dem wir emotionale Bindung haben, geht die Intensivitätssteigerung entweder ganz verloren und wird abgeschwächt (etwa wenn nur noch Missionsziele in Gefahr sind, nicht mehr aber die eigene Personage).
Willst du damit sagen, dass der Charaktertod auch für ARSler wegen der emotionalen Bindung doof ist? Oder wolltest du nur drauf hinweisen, dass es bei ARS auch eine Bindung gibt und diese für einen großen Teil der Spannung verantwortlich ist, aber ansonsten eigentlich nur die Zeit stört?
24.11.2007, 13:49
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Yngvar Thuresson

Zitat von Hackfleischkannibale:

Was mir zu den Hintergrundgeschichten auch so aufgefallen ist: Man schreibt zwar seine Hintergrundgeschichte irgendwie immer nur für sich, versucht dann aber im Spiel alle Charaktere zusammenzubinden, was gern darauf hinausläuft, dass sich eine Hintergrundgeschichte als der Gruppenhintergrund durchsetzt (habe ich zumindest so erlebt
Wie meinst Du das? Daß die anderen Hintergrundgeschichten einfach hinten runter fallen und ignoriert werden? Sicher, das kann passieren, hängt aber häufiger mit dem dominanteren Spiel eines oder mehrerer Spieler zusammen. Auf deren Charakter bzw. Hintergrund wird dann im Spiel häufiger eingegangen, was andere an den Rand drängen mag. Eine andere Option ist die dem Plot geschuldete Dominanz, wenn also (aus welchen Gründen auch immer) die Kampagne auf bestimmte Charaktere besonders ausgerichtet ist.
Den von Dir beschriebene Verlauf habe ich bisher aber noch nie erlebt. Eine gemeinsame Hintergrundgeschichte ensteht naturgemäß im Laufe der Kampagne (dann sind die Charaktere meist auch relativ gleichberechtigt) oder wird zusammen im Vorfeld entwickelt (Das habe ich erst einmal erlebt. Da hat es leider nicht wirklich gut funktioniert, aber sonst kann es sicher sehr reizvoll sein.).

@topic
Ich halte auch die emotionale Bindung und die in den Charakter investierte Mühe für das größere Problem. Nebenbei einen neuen generieren kann man immer, ihn aber auch mit Fleisch und Hintergrund zu versehen dauert.
Ich bräuchte dafür systemunabhängig etwas Zeit, auch um schlicht wieder runterzukommen.
24.11.2007, 13:53
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Dom
Runterzukommen? Vom Charakter oder vom Todes-Erlebnis?
24.11.2007, 13:56
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Yngvar Thuresson
Von letzterem. Bei besonders intensiven Szenen (und das sollte der Tod eines Charakters schon sein und nicht nur ein bloßes totwürfeln) brauch ich dafür hin und wieder schon ein Weilchen.
24.11.2007, 14:25
Skyrock

Zitat:

Willst du damit sagen, dass der Charaktertod auch für ARSler wegen der emotionalen Bindung doof ist? Oder wolltest du nur drauf hinweisen, dass es bei ARS auch eine Bindung gibt und diese für einen großen Teil der Spannung verantwortlich ist, aber ansonsten eigentlich nur die Zeit stört?
Ich meine letzteres. Hauptproblem des Charaktertods ist für den Abenteuerrollenspieler die erzwungene Wartezeit.
Das Risiko des Charaktertodes selbst gehört hingegen dazu damit auch wirklich was auf dem Spiel steht.
28.11.2007, 10:24
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Harald
Ich hab schon Leute heulen sehen, als sie ihre Charaktere aus einer selbstverschuldeten Todessituation nicht mehr herausbekommen haben, weil der Spielleiter nach drei Chancen, sich das anders zu überlegen, einfach mal die Regeln benutzt hat.

Für die Gruppen-Integration gibt es einige einfache Kniffe, mit denen man eine bessere Zusammenstellung hinbekommt als den Schrotschuß-Ansatz, den man häufig sieht.

Raffa hat zum Beispiel einmal den Spielern einer Runde einen Brief zukommen lassen mit der Aufforderung, Charaktere zu bauen, die diesen Brief bekommen, und ihm entsprechend handeln (vielleicht mag er den ja mal irgendwo veröffentlichen). Das war zwar für 7te See, ist aber genauso auch für DSA verwendbar — mit der Ausnahme, dass Charaktere, die sich außerhalb des Einflußbereichs eines Postdienstes befinden, automatisch ausgeschlossen sind.

Eine andere Variante — eine Idee von Rob Donoghue oder Fred Hicks — ist, die Charaktere zu verweben, und zwar mehr oder weniger zufällig: Man schreibt die Namen der Charaktere auf Karteikarten und verteilt diese zufällig. Mit einem dieser Charaktere ist man verbunden, weil er einem das Leben gerettet hat. Über einen anderen hat man ein Geheimnis in Erfahrung gebracht. Und einen dritten bewundert man — wofür?

Kulminiert findet man diese Variante in der Charaktererschaffung von Spirit of the Century, wo jeder Charakter drei Vorgeschichten peäsentiert und in zwei Vorgeschichten anderer Charaktere Gaststar ist.
28.11.2007, 14:14
E-Mail – WWW
Dom

Zitat:

Kulminiert findet man diese Variante in der Charaktererschaffung von Spirit of the Century, wo jeder Charakter drei Vorgeschichten peäsentiert und in zwei Vorgeschichten anderer Charaktere Gaststar ist.
Wobei die Geschichten jeweils Episoden aus der Vorgeschichte sind, nicht drei Mögliche Vorgeschichten, oder wie ist das gemeint?
30.11.2007, 23:12
E-Mail – WWW
Harald
Es gibt drei Geschichten zu jedem Charakter, und jeder Charakter ist in zweien von anderen Gaststar.

Beispiel: Zu Aldous Adair gibts die Geschichten „Aldous Adair und der Achtarmige Affe“, „Aldous Adair und die Antike Ankerkette“ und „Aldous Adair und der Arabische Atlas“; Bella Belissima gibts die Geschichten „Bella Belissima und die Bellende Bestie“, „Bella Belissima und der Baron Balinzani“ und „Bella Belissima und die Bronzene Brünne“; Charles Charleston finden wir in „Charles Charlesten gegen den Chevalier du Chanson“, „Charles Charleston und die Chamäläon-Clique“ sowie „Charles Charleston in Cthonia“. Jetzt wird Aldous Adair in zwei Geschichten aus den sechs von Bella und Charles auftauchen, Bella in zweien der sechs von Aldous und Charles, und Charles ebenso bei Aldous und Bella. Je nach Konstellation ergeben sich so gemeinsame Vorgeschichten und der „ich kenne jemand, der uns helfen kann“-Effekt tritt auch gleich ein. Die Endkonfiguration sieht dann zum Beispiel so aus:

Aldous Adair und der Achtarmige Affe — Gaststar: Bella Belissima
Aldous Adair und die Antike Ankerkette
Aldous Adair und der Arabische Atlas — Gaststar: Charles Charleston

Bella Belissima und die Bellende Bestie — Gaststar: Aldous Adair, Charles Charleston
Bella Belissima und der Baron Balinzani — Gaststar: Aldous Adair
Bella Belissima und die Bronzene Brünne

Charles Charleston gegen den Chevalier du Chanson
Charles Charleston und die Chamäläon-Clique
Charles Charleston in Cthonia — Gaststar: Bella Belissima

(Bei Spirit of the Century wählt man noch entsprechend seiner Geschichten passende Aspekte, das spielt aber bei der Betrachtung hier nur eine untergeordnete Rolle).

Bei SotC ist die Charaktererschaffung selbst ein „Spiel vor dem Spiel“, dass ich mit Begeisterung spiele. Und hier zum ersten mal solo.
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