Also als Spieler, der dank dem Versuch seinen Charakter auszuspielen auch schon das eine oder andere Mal die Gruppe ein wenig weiter in die Scheiße geritten hat, möchte ich auch mal ein kurzes Statement abgeben:
Ich weiß, reines Charakterspiel in den Vordergrund zu rücken ist zumeist nicht so beliebt, weil es gerne den Plot sprengen kann. Zu betrachten gilt es imho aber auch die andere Seite der Medaille:
Durch die auftrettenden Probleme kann auch das Rollenspiel bereichert werden. Gruppeninterne Konflikte entstehen, wenn die Ansichten der unterschiedlichen Charaktere aufeinander prallen und nicht vernünftig kombinierbar sind. Was für Lösungsmöglichkeiten gibt es nun?:
1) Die Wolkenturm & Konsorten — Meinung vertritt hier, soweit ich das verstanden habe, die Auffassung, daß es nun entweder gilt die Gruppenzusammenstellung zu überprüfen und gegebenenfalls soweit zu korrigieren, daß ein Zusammenspiel gut möglich ist (bzw. die Gruppenzusammenstellung von Anfang an so auszulegen), oder den Charakter soweit zu mäßigen, daß wiederum ein vernünftiges Charakterspiel möglich ist.
2) Meine Meinung (bzw. vielleicht auch diejenige derer, die „Method Actor“ genannt werden) ist: Lasst die Helden doch gegeneinander aggieren und intrigieren. Dadurch können ja auch sehr interessante eigene Szenarien entstehen, dem Meister wird die Handlung schon fast an Hand gelegt. Das soll heißen: Wenn die Charaktere versuchen sich gegenseitig auszustechen, so führt das auch zu selbstständigen Handlungen und Story-Vorbereitungen durch die Spieler. Die also von den Spielern an- und ausgelegten Handlungsstränge müssen dann vom Meister „nur noch“ genommen und zusammengefügt werden.
Gleichzeitig bietet diese Möglichkeit auch Platz für interessantes Rollenspiel, wenn die Charaktere sich gegenseitig in hitzigen Wortgefechten und mit spannendem Handeln die Stöcke zwischen die Beine zu werfen.
Das soll nun nicht heißen, daß ALLES erlaubt bzw. gespielt werden sollte. Ganz im Gegenteil: Es gibt genug Situationen, wo zu gegensätzliche Charaktere sich gegenseitig in unverhätlnismäßigem Maße bekämpfen, wo Rollenspiel gar nicht mehr möglich ist.
Als Beispiel seien hier ein Xorloscher Drachentöter und ein Achaz genannt. Wie ich das sehe, wird der Zwerg in den meisten Fällen versuchen das „Drachengezücht“ einfach zu erschlagen. Beide Charaktere können praktisch kaum in der selben Runde spielen. Hier sind die Grenzen also überschritten.
Aber auch solch kritische Kombinationen wie ein Nordmärker und Invher-treuer Albernier oder ein typischer Schwarz- und Weißmagier kann tolle Spielsituationen hervorrufen. Klar kommt man damit nicht mehr so schnell im Plot vorran — aber wieso sollte das stören? Rollenspiel ist ein Hobby, welches dazu dient Spaß zu bereiten. Insofern man in diesen Situationen also Spaß hat, wieso nicht so spielen?
Das größte Problem, welches ich also sehe: Wie hält man als Meister die Gruppe zusammen? Auf Dauer wird das sicher schwierig, denn welchen Grund sollten die Helden haben miteinander zu reisen? Man kann sich nicht ausstehen und versucht sich nur gegenseitig auszuboten.
Die typische Lösung hierfür ist ja: In der Not frisst der Namenlose Fliegen. Soll heißen, die Helden müssen aus einem äußeren Zwang heraus miteinander arbeiten — sei es nun, daß ein wesentlich größeres Unheil droht, was man nur gemeinsam bewältigen kann, oder daß man auf höhere Weisung gemeinsam reist (der/die Herrscher/in erteilt also den Auftrag). Auch hier ergibt sich aber wiederum nach dem Abenteuer das Problem: Wieso sollten die Helden gemeinsam in das nächste Abenteuer gehen? Der äußere Zwang ist beseitigt, man kann sich aber immer noch nicht haben.
Auch hierzu zwei Gedankengänge meinerseits:
1) Die Helden sind längerfristig durch den äußeren Zwang gebunden: Man spielt eine Kampange, bei der das größere Übel nicht innerhalb weniger aventurischer Tage bewältigt werden kann, der Auftrag des Vorgesetzten ist langfristig (kann ja z.B. auch in der Hintergrundgeschichte der Helden verankert sein). Als Beispiel möchte ich dazu das JdF nennen. Auf Dauer mag es den Helden so gelingen, zumindest die Fähigkeiten der Gegenseite zu schätzen, auch wenn man die Meinung nicht teilt. Durch die langfristige Beschäftigung mit der anderen Seite weicht vielleicht auch die eigene Meinung auf. Bei kurzen Abenteuer über eine knappe aventurische Zeitspanne ist dies aber normalerweise nicht machbar. Hier ist aber zumeist der Meister gefragt den äußeren Zwang einzuführen.
2) Eine weitere Möglichkeit ist es die Helden in Wettstreit treten zu lassen. Sei es nun, daß man sich zwar hasst, man aber seine Überlegenheit im Handwerk oder in der Moral beweisen möchte (der Schwarzmagier strebt stetig danach den Weißmagier zu demütigen, indem er ihm zeigt, daß seine schwarze Magie wesentlich effektiver ist) oder indem ein Held sich im Missionierungszwang sieht (der Puniner Boron-Geweihte möchte den Al'anfaner Boron-Geweihten von der Überlegenheit seiner Auslegung überzeugen). Dies ist dann jene Möglichkeit, die hauptsächlich von den Spielern ausgeht.
Nun noch zu deinem Beispiel mit dem Zuckerbäcker, Dom:
Hierbei sehe ich viel weniger ein Problem bei der Inkompatibilität von Held und Abenteuer, als viel mehr ein Problem der Abstimmung zwischen Meister und Spieler. Imho sollte der Spieler sich durchaus auch schon bei der Generierung Gedanken machen, wieso sein Charakter eigentlich in die Welt hinaus zieht, um Abenteurer zu werden. Diese Bedingungen müssen auch noch nicht schon beim ersten Abenteuer eingetreten sein, sollten aber spätestens dann mit dem Meister abgesprochen werden, damit er es sinnvoll in das kommende Abenteuer einbauen kann. Hier muss imho der Meister nicht die treibende Kraft sein.
Wenn der Spieler aber nun darauf erpicht ist einen Charakter zu spielen, der einfach nicht die Stadtmauern verlassen will, dann ist das auch in Ordnung: Der Spieler sollte sich aber einen zweiten Charakter bereit halten, mit dem er zumindest zeitweilig weiterspielen kann, während sein eigentlicher Held in der Stadt bleibt. Alternativ kann natürlich auch eine NSC-Rolle mit dem Meister abgesprochen werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so kann ansonsten schnell Langeweile für den Spieler eintreten.
Also allgemeiner gesprochen: Der Meister ist mMn KEINE Fütterungsmaschine an die Spieler. Er bietet zwar den Rahmen einer Handlung, das spaßvolle Spiel sollte aber auch durch den aktiven Einsatz der Spieler zusammenkommen. Aktiv heißt hier auch, die Spieler liefern Hintergrundmaterial zu ihren Helden und gestalten dieses soweit aus, daß nicht der Meister alle wesentlichen Handlungsmotivationen stellen muss. Aktiv kann (nicht aber {i]muss[/i], je nach Spielstil der Gruppe) auch heißen die Spieler liefern selbstständig Anregungen über den weiteren Handlungsverlauf, sei es indem sie dem Meister diese nach dem Spielen erläutern, sei es indem sie mit ihren Helden selbsständig in eine Richtung gehen.
Das Fazit meiner (zugegebenermaßen vielleicht etwas strukturarmen) Gedankenergüße also:
Viel wichtiger als die Helden aufeinander und auf das Abenteuer abzupassen ist ein vernünftiges Zusammenspiel des Meisters und der Spieler. Auch plot- und gruppenbildungsblockierende Helden sind eine durchaus machbare Sache, insofern Spieler und Meister gut zusammenarbeiten.
So, das waren meine zwei Kreuzer,
Anil
EDIT: Formatierung verändert. Meinungen zu den anderen Texten folgen noch…