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20.3.2009, 13:53
JensN aka Eran
Hallo,

In einer Kult Runde, in der ich mitspielte, gab es einen kaltblütigen Mord nach dem anderen und auch Folter kam vor. In einer Runde eines befreundeten Spielleiters kam es vor, dass ein SC eine NSC-Polizistin vergewaltigt hat (werwolf). Das waren alles erwachsene Spieler und auch nur die Geschehnisse des letzten halben Jahres.

Einerseits gehören Schilderungen von Gewalt irgendwie zum Rollenspiel dazu, allein weil es oft um Kämpfe geht. Andererseits sollte es doch auch eine Grenze geben.

Wo sollte diese Grenze eurer Meinung nach liegen.

Manch einer mag z.B. vielleicht gerne einmal einen Attentäter spielen und das zu verbieten wäre ja auch blöd.

Ist der Grad zwischen Heldentum und brutaler Gewalt im Rollenspiel schmal oder doch eine recht klare Linie?

MMn hat dies auch wieder damit zu tun wie man als Gruppe mir so etwas umgeht und auf welche Weise man spielen will.

Vielleicht tritt dies ja hauptsächlich bei Runden auf die nicht klar meinen die Guten zu spielen. Die Hintergründe der World of Darkness, bei Kult oder Shadowrun verleiten dazu vielleicht auch eher als Fantasyrollenspiel.

20.3.2009, 16:06
1of3

Zitat:

In einer Runde eines befreundeten Spielleiters kam es vor, dass ein SC eine NSC-Polizistin vergewaltigt hat (werwolf).
Wiesu tut er su? Werwölfe kriegen mit dem angeborenen Fick-mich-Trick, doch sowieso alles und jede rum.
20.3.2009, 16:51
><
Da Bedarf es meines Erachtens eines ausgesprochenen oder unausgesprochenen Gruppenkonsens', denn wo bei den einen der Spaß anfängt, ist er bei den anderen schon längst vorbei.

Sicher gibt es Systeme oder besser Settings, die nicht ganz blütenweiß sind (und es gerade auch nicht sein wollen), aber auch hier kann man in Grausamkeit und Perversität schwelgen oder sie doch eher am Rande notieren.

Bei uns geht es eigentlich recht unanstößig zu und oft sind es auch die anderen Charaktere, die einen SC ausbremsen, der über die Stränge schlägt.
Ich selbst denke, dass ich mit einem Spieler, der mal einen Soziopathen verkörpert, keine Probleme hätte, wenn es im Rahmen des Settings bleibt.
Spieler, die es aber generell darauf anlegen, über ihre SCs die Sau rauszulassen, den Rahmen zu überspannen und eine Missetat nach der anderen zu begehen, kann ich nicht gebrauchen.

><, Schengener Abkommen auch für Geschmacksgrenzen?
21.3.2009, 16:26
E-Mail – WWW
Dom
Sex und Gewalt sind in Rollenspielen natürlich ein Thema, Gewalt noch viel mehr als Sex. Aber bei Gewalt ist es nur selten die nackte, brutale, reale, echte Gewalt, sondern eher die aalglatte Gewalt, die man aus Geschichten, Action-Filmen und Computerspielen kennt. Gewalt nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Orks werden getötet, dem Schergen des Bösen wird gedroht.

„Echte“ Gewalt, ist genauso wie Pornographie oder sexuelle Gewalt in den meisten Runden, die ich kenne, ein Tabu-Thema. Es sei denn, man spielt irgendein Indie-Spiel, dass genau diese Themen in den Mittelpunkt des Spieles stellt. Beispielsweise kann man bei Dogs in the Vineyard oder My Life with Master auch gut sexuelle Gewalt kritisch thematisieren, so dass die Spieler davon berührt werden. Sie ekeln sich zum Teil davor, die Dinge auszusprechen und in der Spielwelt geschehen zu lassen und sind dann umso glücklicher, wenn ihr SC-Monster am Ende vom Mob mit Mistgabeln und Fackeln aus dem Dorf gejagt wird. Oder wenn es trotz aller Fehler eine liebe Person findet, die sich seiner annimmt.

Beim „normalen“ Spiel hingegen würde ich diese Dinge ganz klar rauslassen bzw. auf Action-Film-Niveau belassen; es sei denn, die Gruppe hat sich auf eine „härtere Gangart“ geeinigt. Wenn ich in einer Gruppe so etwas erleben würde und es mich stört, würde ich meine Gefühle äußern und erwarten, dass die Mitspieler entweder einen Gang runterschalten oder auf mich beim Spiel verzichten.
21.3.2009, 23:31
reinecke
Bewusst an die Grenzen gehen und diese Ausloten ist voll in Ordnung.

Sich dran „aufgeilen“ ist, wie, wenn das in echt getan wird, eben eine Frage der Moral und ob nicht Beteiligte etwas dagegen haben.
23.3.2009, 06:59
E-Mail – WWW
Jens
„Sich daran aufgeilen“ ist eine ziemlich platte Art über die eigene Unsicherheit hinwegzuspielen. Ich sags mal so: im Rollenspiel allgemein kann Gewalt, auch harte ruhig vorkommen, nur nicht exzessiv, dass nutzt das Thema ab. Es muss halt zum Genre passen und ich muss ehrlich sagen, dass ich so einen Krams wie „Saw“ nicht spielen will. „Aalglatte“ Gewalt im Sinne eines Mafiafilms aber schon eher.
23.3.2009, 11:31
luzifel
Ich greif das Thema mal auf und erweitere auf explizite und realistische Gewaltdarstellung.
Bei uns wird im Normalfall auf Actionfilm-Niveau gespielt, es sei denn irgendwas ausßergewöhnliches passiert. Neulich etwa hat die eine sehr mächtige Schamanin bei einer SR4-Runde einen noch deutlich mächtigeren Tiergeist von der Leine gelassen, der dann im Rahmen seines Auftrages vollkommen Amok gelaufen ist. Um zu illustrieren was passiert wenn man seiner Verantwortung als BErschwörer nicht nachkommt, bin ich auf Details eingegangen, die sonst bei uns nie Verwendung finden, wie etwa Passanten die erst in Panik versetzt werden und dann blutig zerfetzt oder schwer verletzt zu werden. Der Spieler der Schamanin war total platt von diesem Ergebnis und hat auch nicht reagiert auf das Gemetzel mit seinen expliziten Details. Im nachhinein meinte er, dass er zu geschockt war davon.
Mein Ziel war es dabei genau das zu erreichen als SL damit die Leute mal anfangen nachzudenken was es bedeutet wenn sie einem Monster freie Hand lassen.

Aber wie gesagt sonst kommt es bei uns nicht vor, da die meisten von uns sich ziemlich gut vorstellen können was die Verantwortung bedeutet wenn da jemand getötet wird.

Aber wie bereits gesagt wurde, ist das eine Frage des Gruppenvertrags und kann und sollte bei Bedarf angepasst werden.
23.3.2009, 14:34
Elwin
Gewalt im Rollenspiel ist natürlich eine wichtige Komponente, gerade wenn es um physische Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Interessen geht. Allerdings habe ich in bisher keiner Gruppe erlebt, dass Spieler sich eine realistische Darstellung der Gewalt wünschten. Wenn jemand erschlagen/erschossen wird, ist diese Person auch ziemlich flott tot und nicht, wie man es als Abschreckung in diversen Antikriegsfilmen serviert bekommt, erst in einer Stunde nach großen Schmerzen (ich erinnere mich da an das Buch „Im Westen nichts Neues“, wo der Protagonist mit dem von ihm mit dem Bajonett tödlich verwundeten Franzosen im Mörserkrater liegt und der Bursche stirbt seeehr langsam). Im Rollenspiel ist es wie in vielen Filmen, die Leute fallen um und gut ist's.

Gewalt kann man auch zur Abschreckung nutzen, v.a. wenn sie von Bösewichten ausgeübt wird. Ein Ritualplatz der Bösewichte soll ruhig etwas ausführlicher beschrieben werden, da Ekel und Abscheu vor dem Geschehenen eine Motivation für die Spieler sein kann, gegen den Bösewicht vorzugehen. Wie weit man die Schilderungen ausdehnt, ist Fingerspitzengefühl, man gerät nämlich als SL dann leicht in den „Rausch der eigenen Worte“ und bewirkt eher das Gegenteil, nämlich eine „aufgeilende“ Darstellung der ekligen Gewaltszene.

Sexuelle Gewalt ist in meinen Augen noch eine Klasse stärker, ruft stärkere Reaktionen hervor. Warum das so ist, da überlasse ich gerne Psychologen das Feld (ich tippe auf die Abscheu vor der Kombination Brutalität und Lüsternheit und der Demütigung durch sexuelle Gewalt)
Aber das bedeutet auch, dass die Schilderung von Sexueller Gewalt im Rollenspiel noch schneller die Toleranzgrenze bei den Mitspielern überschreitet.

So, und jetzt komme ich zu dem Punkt, der im ersten Posting schon angerissen wurde: Gewalt wird von Spielercharakteren ausgeübt.
Dies ist bei physischer (Waffen-)Gewalt in den meisten Rollenspielen üblich, die Kampfregeln stellen ein Kernelement vieler Rollenspiele dar und daher kann man schon formulieren, dass die Bereitschaft zur Gewaltausübung bei vielen Rollenspielen vorausgesetzt wird.
Aber natürlich üben manche Charaktere ein größeres Maß an Gewalt aus als andere, das ist ja die Entscheidung der Spieler. Und hier können manche Spieler den Bogen überdehnen, indem sie ein Maß an Gewalt ausüben, das für die anderen Spieler nicht hinnehmbar ist.
Das Problem ist sehr komplex und ist mMn durchaus eine Abbildung der „echten Welt“. Gewalt zur Verteidigung gegen Bösewichte wird üblicherweise akzeptiert, aber je weniger man dem Opfer der Gewalt eine Schuld zuweisen kann, desto eher empören sich Beobachter. Wenn eine grobe Person einen offenbar schwächeren Menschen belästigt, dürften viele Menschen akzeptieren, wenn der Grobian ordentlich einen aufs Maul bekommt.
Aber wenn man zum Grobian hingeht und ihm ein Messer dreimal in den Bauch sticht, werden sich garantiert schon einige Leute melden, für die das nicht mehr in Ordnung war.

Und um diese Verhältnismäßigkeit geht es mMn auch im eingangs geschilderten Fall. Ein „kaltblütiger Mord“ ist für JensN/Eran weit jenseits der Toleranzgrenze (fürs Rollenspiel) und die Vergewaltigung ebenfalls. Ich bin mir bezüglich meiner Grenze (im Rollenspiel) nicht ganz sicher — Mord oder zumindest billigend in Kauf genommene Tötung von NSCs, die Hindernisse auf dem Weg zum Ziel sind, ist schon vorgekommen (jeder Shadowrunner, der mit echter Munition schießt, nimmt billigend den Tod etwaiger Gegner in Kauf, selbst wenn sie nur abgehalfterte Nachtwächter auf einem abgelegenen Parkplatz sind). Vergewaltigung geht gar nicht! Aber gut, meine Charaktere haben eh selten eine sexuelle Dimension und haben daher auch keinen Sexualtrieb, den sie ausleben müssten. Und bei Folter ist bei mir die Grenze bei „dem Delinquenten die Instrumente zeigen“.

Um zu einem Ende zu kommen, will ich Erans Frage aufgreifen:

Zitat:

Ist der Grad zwischen Heldentum und brutaler Gewalt im Rollenspiel schmal oder doch eine recht klare Linie?
Es ist vor allem eine unsichtbare Linie. Während sich der Eine noch auf der sicheren Seite wähnt, glaubt der Andere, die Linie sei bereits überschritten.
Definitiv ist die Frage nach dem „Gore-Level“ einer Spielrunde eins der Kernthemen eines Gruppenvertrages. Eine Spielrunde sollte sich echt Gedanken machen, wie weit sie bei der Darstellung von Gewalt gehen will, so dass die unsichtbare Linie noch bei allen Mitspielern nicht überschritten wird.
Und das gilt auch für eher düstere Systeme. Ein Vampir, der mordend durch die Gegend zieht, darf nicht damit rechnen, dass sein Verhalten belohnt wird (es wird eher bestraft durch Humanity Checks, wenn ich mal von dem alten Vampire-System ausgehen), genausowenig wie ein Shadowrunner, der sich einen Namen als Mörder macht (das gibt nach dem neuen System Schlechter Ruf, man ist als Totschläger berüchtigt und bekommt von einigen Johnsons keine Aufträge mehr und die Polizei kennt auch keine Gnade mehr).

Gruß
Chris
zuletzt geändert: 23.3.2009, 14:38
23.3.2009, 21:14
JensN
Also in der Runde in der mich Auftragsmorde und Folter abgschreckt haben spielte ich seit über 10 Jahren. Wir haben damals mit Shadowrun angefangen. Allgemein war die Runde schon immer etwas härter und krasser was Gewalt angeht als andere meiner Gruppen. Nur mit der Zeit haben wir angefangen deutlicher zu beschreiben was passiert und eine wirklich düstere Stimmung zu erzeugen. Und genau dort habe ich auch aufgehört mit zu spielen. Düstere Athmosphäre mag ich ja durchaus, aber z.B. in meiner Mage-Runde achte ich als SL darauf, dass wir dies nicht aus erster Hand gut beschrieben erfahren, wenn es mal um Gewaltszenen geht, sondern eher durch NSC-Berichte oder Tatorte. Ausserdem sind die Charaktere in der Gruppe klar die Guten, was ich auch mittlerweile wichtig finde, wenn man mal an einer Grenze kratzt und es geht nicht immer um Gewalt. Für z.B. Shadowrun-Runden in denen man kriminelle Mörder spielt (zumnidest meistens) mag ich dann auch Actionfilmgewalt, durchaus auch mit Auftragsmorden, aber ohne Vergewaltigung. Für diesen Begriff Actionfilmgewalt bin ich recht dankbar.

In der Kult-Runde die so „gewalttätig“ spielt habe ich genau da sicher auch meinen Beitrag dazu getan. Mittlerweile wollen sie jedoch gar nicht mehr mit mir spielen, da ich ganz offen nicht in ihren Gruppenvertrag passe (auch wenn sie nicht das Wort Gruppenvertrag verwendeten.), wegen der Gewaltdarstellung.
23.3.2009, 22:54
Hesindrigon
Ich sehe bei dieser Frage zwei Dimensionen:
1.) Was wird in der jeweiligen Runde an Gewaltdarstellung akzeptiert?
2.) Was sollte in in jeder Runde an Gewaltdarstellung akzeptiert werden?

Die erste Frage wird aus dem jeweiligen Gruppenvertrag beantwortet. Das bedeutet, dass es der gemeinsamen Vorstellung innerhalb jeder Gruppe anheim gestellt ist. Wie auch bei anderen Fragen des Spielstils bedeutet dies: Wenn es für alle ok ist, ist es Teil des Gruppenvertrages und damit im Reinen, egal wie extrem das Maß an akzeptierter Gewaltdarstellung sein mag.

Die zweite Frage ist die allgemeine, universale und in sofern ethisch-moralische Frage nach dem akzeptablen Maß an Gewaltdarstellung.

Ich denke hier ist ein Blick auf die Gewaltdarstellung in anderen Medien wie Literatur, Film oder Comics hilfreich. Rollenspiel arbeitet nicht mit Bildern, sondern Worten. Was z.B. Stephen King schreibt ist teilweise expliziter als das, was in Filmen gezeigt wird. Gerade Sex und Erotik ist in der Literatur oft sehr viel deutlicher benannt, als es etwa in Filmen gezeigt wird. Comics sind da wieder anders, vielleicht dazwischen, weil zwar Bilder, aber abstrakter als „realistische“ Darstellungen im Film.

Zurück zu den Rollenspielen: Ich denke, dass es in allen Medien eine — zeitlich jeweils unterschiedliche (war in den 80ern anders als heute) — rote Linie gibt. Ab einem bestimmten Punkt wird Darstellung von Sexualität bzw. Gewalt indiziert. Für entsprechend explizite Sexualität gibt es Pornos. Für Gewaltdarstellung gibt es ab diesem Punkt kein äquivalent mehr. Gerade die gemeinsame Darstellung von Sexualität und Gewalt, etwa eine Vergewaltigung, erreicht diese rote Linie schon sehr viel früher.

Diese rote Linie in anderen Medien ist, finde ich, eine ganz gute Orientierung dafür, ob es für's Rollenspiel noch akzeptabel ist. Und alles diesseits dieser roten Linie obliegt dementsprechend der Geschmack jeder einzelnen Spielrunde.
25.3.2009, 13:52
JensN
Zwei Dimensionen mag es wohl theoretisch geben, doch rein pragmatisch reicht doch der Gruppenvertrag aus, oder?

Wäre es denn verwerflich, wenn eine Gruppe sich einig ist das alle „gewalttätig“ beschreiben wollen.
Da wäre dann wieder die Frage wo die Grenze zu ziehen ist, in jeder Gruppe und ob überhaupt allgemein.
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