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6.5.2007, 13:22
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Dom
Ich will hier ab und an mal ein paar Dinge posten, die mir so in den Blogs zum RPG-Design/Rollenspieltheorie auffallen. Ihr seid natürlich alle herzlich dazu eingeladen, den Links zu folgen und darüber zu diskutieren.
Heute möchte ich mich mal ein paar deutschsprachigen Blogs zuwenden, von denen momentan massenhaft aus dem Boden schießen. Ein recht großer Teil dieser Blogs beschäftigt sich mit dem Thema ARS. Mir bekannte Beispiele:Das ist ja eine ganze Menge, ich werde sicherlich in Zukunft auch auf einige Inhalte dieser Blogs eingehen, denn vieles, was die ARSler schreiben, ist interessant. Heute aber erstmal ganz überblickshaft die Frage: Was ist eigentlich ARS? Und warum gibts da jetzt so viel? Und was zum Teufel haben ARSler gegen SchErz-Bolde?

Die Abkürzung ARS wurde vom preußischen Spieler, dem Hofrat Settembrini, eingeführt. Was genau ARS ist, ist leider nicht so völlig klar. Ich zitiere mal aus dem Blog von Vermi:

Zitat von Wilde Lande:

ARS nach Settembrini: Konventionelles Rollenspiel, also mit konventionellen Themen, Methoden und Mechanismen, aber mit der Maßgabe, dass ein Spielleiter sich an die Regeln und das vorbereitete Szenario unbedingt halten muss.
(…)
Das meint Settembrini, wenn er über ARS redet. Jeder andere, der das Wort benutzt, meint wahrscheinlich was anderes, oder ist sich noch nicht mal besonders sicher, was er eigentlich meint.

Skyrock dagegen beschreibt in seinem ARS-Manifest einen ziemlich konkreten Spielstil, der auf dem Überwinden von Herausforderungen basiert. Im Gegensatz zum Settembrinischen ARS-Begriff kann man mit dieser Definition wirklich was anfangen, und im Gegensatz zum Hofrat sagt Skyrock auch: So erkennt man ARS, das bezeichne ich als ARS und alles andere ist kein ARS. Dabei bezieht er sich auf konkrete Spielrunden, nicht auf Spiele. Der Hofrat sagt allerdings auch gerne mal zu Spielen ARS, und meint dann: Das sind Spiele, die für ARS gemacht sind. Und dazu zählt er eigentlich alle Spiele, die nicht besonders Foorgy sind, also insbesondere auch DSA. Und deswegen ist er auch so komisch im Umgang mit DSA und Stimmungsspiel, denn wenn er DSA als ARS bezeichnet, die Spieler aber gar nicht ARS spielen, dann spielen sie das Spiel in Settembrinis Augen falsch.

Dazu kommt dann noch, dass die ARS-Leutchen SchErz und xErz voneinander unterscheiden. Bei diesen Abkürzungen bedeutet das Erz immer Erzählspiel, wobei xErz „bewusstes, anspruchsvolles Erzählrollenspiel“ ist und als gut angesehen wird; SchErz dagegen ist „Schummel-Erzählrollenspiel“, bei dem der Spielleiter hinter dem Meisterschirm würfelt und seine Freunde, die Spieler, bescheißt. Das ist nämlich schlecht, verwerflich, total Scheiße und außerdem schummelt man nicht, wenn man mit Freunden rollenspielt. Solche Leute sind innerlich böse, egoistisch, wollen alles für sich haben und gehören erschossen, denn sie sind an allem Schuld, insbesondere an der Klimakatastrophe.

Ich finde es immer wieder niedlich zu lesen, dass die ARSer nicht sehen, dass es viele SchErz-Runden gibt, die wahnsinnig viel Spaß haben. Man muss doch mal schauen, warum es diese SchErz-Bolde überhaupt gibt: Die Leute wollen beispielsweise gerne DSA spielen und zwar stimmungsvoll. Das wird ja auch in den Büchern empfohlen. Dafür sind die DSA-Regeln aber leider nicht geeignet, denn sie geben Anleitungen für das Überwinden von Hindernissen und nicht für die Auswirkungen einer höfischen Verhandlung auf das weitere Geschehen in Aventurien. Und das Ergebnis ist das Kiesowsche Stimmungsspiel, bei dem der Meister hinter dem Schirm die Würfel so dreht, dass ein dramaturgisch interessanter Plot hinten rauskommt.

Dom

BTW: Wenn ich persönlich von ARS rede, dann meine ich ARS im Skyrockschen Sinne.

EDIT: Threefold gestrichen
zuletzt geändert: 15.5.2007, 20:44
6.5.2007, 16:16
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Kronosjian
Ah, ich bin jetzt schon öfters über diese kryptischen Kürzel und Bezeichnungen gestolpert, weil ich in den Blogs auch immer mitlese. Jetzt habe ich endlich mal die Erklärung was was ist, ich war bisher immer zu faul es nachzuschlagen…
Nur noch die Frage woher kommt das x in xErz?

Dass es unterschiedliche Interpretationen gibt, was ARS so alles ist liegt mal wieder an der Natur der Rollenspielsache. Da werden seltenst Begiffe von zwei Personen auf dieselbe Weise benutzt :-/

Ansonsten was habe ich zum Thema zu sagen?
Nicht viel, weil ich letztlich zu selten mit den verschiedenen Spezies in Kontakt trete, um da ernsthaft vergleichen zu können.
Positiv an der ARS-Debatte ist, dass damit ein bisschen das „klassische“ Rollenspiel aus den Dungeon-Anfängen wieder etwas Saonfähig wurde. Zuletzt (bis vor einem Jahr) hatte man in den Foren doch eher den Eindruck je schräger, abgehobener und mit ungewöhnlicherenn Spielmechanismen ausgestattet ein Spiel ist umso besser. Und wenn auf der Skala links ARS-Dungeon-Crawl und rechts Forge-Erzähltechnikspiele drohen, dann finde ich mich sicher deutlich links der Mitte…
Was mich allerdings extrem annervt ist der missionarische polemische Charakter den einige ARS-ler so an den Tag legen. Davon abgesehen bin ich natürlich DSA-Sozialisiert und bin da ein echter klimakillender Schummler. Wobei ich für meine SR-Zeiten mir auch auch Original-ARS vorstelen könnte, wo es doch massiv um „Problem lösen“ in dem Spiel geht.
6.5.2007, 16:44
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Purzel

Zitat von Kronosjian:

Nur noch die Frage, woher kommt das x in xErz?
Das kommt von eXcellent. Excellentes Erzählspiel als Gegensatz zum bösen Schummelerzählspiel.

*augenroll* Es ist peinlich, dass Begriffe erfunden werden, die absichtlich wertend sind. Ein neutralerer Wortschatz würde der Debatte gut tun, denn ich denke, die Unterscheidung der Erzählarten ist interessant.
zuletzt geändert: 6.5.2007, 16:45
6.5.2007, 16:45
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Dom

Zitat:

Nur noch die Frage woher kommt das x in xErz?
Das steht für eXzellent (oder so).

Zitat:

Und wenn auf der Skala links ARS-Dungeon-Crawl und rechts Forge-Erzähltechnikspiele drohen, dann finde ich mich sicher deutlich links der Mitte…
Hast du schonmal ein Forge-Erzählspiel gespielt? Ein beliebtes Vorurteil ist nämlich, dass die Regeln alle total abgefahren und möglichst merkwürdig sind. Das stimmt nur so meiner Erfahrung nach nicht. Ok, es gibt auch Spiele, die unbedingt was Neues machen wollen und das dadurch schlecht wird… jedoch sind das nicht die bekannten, coolen Spiele wie PtA, DitV, The Pool, Wushu oder CtH. Ich persönlich denke, das gerade viele der mir bekannten DSA-Spieler mit einer „Erzähl-Engine“ besser klar kommen würden als beispielsweise mit D&D. Denn damit D&D funktioniert, muss man sich an die Regeln halten, und das bedeutet: Monster kloppen, Schätze finden, Fallen überwinden, magische Gegenstände bunkern, Charaktere optimieren. Tut man das nicht, stimmen spätestens ab Level 10 die CRs nicht mehr, was dann drei mögliche Folgen hat:
a) Der SL nimmt einfach schwächere Monster als vorgesehen.
b) Der SL nimmt die vorgesehenen Monster und „schummelt“.
c) Die Gruppe ist frustriert und gibt auf bzw. fängt eine neue Kampagne an.
Und alle drei Möglichkeiten sind nicht im Sinne von ARS.

Darüberhinaus sehen die ARSler üblicherweise nicht so sehr die Differenz ARS vs. „hartes Erzählspiel“ (=xErz=Forge-Spielchen etc.), sondern eher das Problem mit den SchErzlern. xErz wird von den ARS-Bloggern zumeist als gleichwertig, aber auf einer anderen Ebene anerkannt, weil es da üblich ist, dass sich auch der Spielleiter (sofern es einen gibt) an die Regeln hält.

Dom
6.5.2007, 16:53
Elwin
xErz heißt meines Wissens nach „Exzellentes Erzählrollenspiel“ und damit merkt man auch schon gleich, dass xErz und SchErz für eine fachliche Beschäftigung mit dem Thema völlig unbrauchbar sind, weil sie persönliche Wertungen vornehmen.
6.5.2007, 16:59
Elwin
Zu spät, in einem Western-Duell wäre ich jetzt tot.

Umso mehr halte ich es für angeraten (@ Theoriediskussionen), die Begriffe xErz und SchErz zu meiden, damit sie nicht mehr werden, als sie eigentlich sind: dümmliche Wortspiele.

Außerdem halte ich es für fraglich, ob man den Konflikt auf eine gerade Linie mit links ARS und rechts Forge herunterbrechen sollte — oder ob das nicht auch schon ein Instrument zur Meinungsmache ist?
6.5.2007, 17:23
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Kronosjian
@Dom: Erwischt! A3 Treffer Hilfskreuzer „Berta“ versenkt :-)
Meine Erfahrung mit den Erzählspielen sind weitgehend theoretischer Natur. Ich habe mal Risus gespielt, aber ob das zählt?

Ich denke das Problem für mich wäre jetzt überspitzt formuliert nicht die Anhäufung von alternativen Spielmechanismen, sondern die (von mir vermutete) andere Rolle als Spieler.
Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe bei der Betrachtung der Diskussionen zu den Erzählspielen das Gefühl, dass dabei von den Spielern auch mehr (oder zumindest ein anderes) Engagement erwartet wird, als beim herkömmlichen Spiel.
Im herkömmlichen Spiel (oder zumindest meinem gefröhnten Spielstil) ist der Spieler zwar auch ein interaktiver Spielteilnehmer aber dennoch tendenziell mehr ein Popcorn mampfender Konsument. In den Erzählspielen klingt es für mich so, als ob von den Spielern mehr Engagement in Sachen Storyentwicklung gefordert würde.
Aber das ist jetzt nur eine ferne Draufsicht, das müsst ihr Profis mir sagen, ob ich damit richtig liege?

Was die Skala mit ARS und Forge angeht, war das natürlich kein ausdifferenziertes Konstrukt. In meinem Fall müsste die Skala ja, wenn ich Dom recht verstehe, eher links ARS und rechts Böses Schummelspiel beinhalten und da kann der Ticker unten noch so viel von Menschlichkeit 18 erzählen, da wäre ich doch ein rechter Menschheitsvernichtender Klimakiller ;-)
6.5.2007, 18:21
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Dom

Zitat von Elwin:

Umso mehr halte ich es für angeraten (@ Theoriediskussionen), die Begriffe xErz und SchErz zu meiden, damit sie nicht mehr werden, als sie eigentlich sind: dümmliche Wortspiele.
Hier im Thread gehts aber gerade auch darum ;) Ansonsten, in Diskussionen über das Thema: Finger wech, keine Frage.

Zitat von Kronosjian:

Im herkömmlichen Spiel (oder zumindest meinem gefröhnten Spielstil) ist der Spieler zwar auch ein interaktiver Spielteilnehmer aber dennoch tendenziell mehr ein Popcorn mampfender Konsument. In den Erzählspielen klingt es für mich so, als ob von den Spielern mehr Engagement in Sachen Storyentwicklung gefordert würde.
Aber das ist jetzt nur eine ferne Draufsicht, das müsst ihr Profis mir sagen, ob ich damit richtig liege?
Ja, du liegst damit grundsätzlich richtig. Viele Indies werden ja von Leuten entwickelt, die die klassische Aufteilung nicht mögen und dem Spielleiter nicht so viel Arbeit und Verantwortung aufhalsen wollen.

Allerdings gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen für das, was die Spieler an „Macht“ haben. Das reicht von praktisch 0 % (Wushu) bis 100 % (spielleiterlose Spiele wie Polaris). Darüber werde ich dann vielleicht später mal in einem anderen Thread was schreiben.

Zitat von Kronosjian:

Was die Skala mit ARS und Forge angeht, war das natürlich kein ausdifferenziertes Konstrukt. In meinem Fall müsste die Skala ja, wenn ich Dom recht verstehe, eher links ARS und rechts Böses Schummelspiel beinhalten und da kann der Ticker unten noch so viel von Menschlichkeit 18 erzählen, da wäre ich doch ein rechter Menschheitsvernichtender Klimakiller ;-)
Jo, so sähe es wohl aus. Bei mir beispielsweise kommt es ganz aufs Spiel an: Bei DSA würfele ich als Meister hinter dem Schirm und drehe die Würfel, bei Unknown Armies steht sogar in den Regeln, dass der SL die Lebensenergie der Charaktere geheim verwaltet. Bei D&D dagegen würfele ich offen, weil es da mMn darum geht, den Charakteren eins auf den Deckel zu hauen. Und bei anderen Spielen wie PtA kann man als SL noch nichtmal was hinter irgendeinem Sichtschirm machen, weil die Ergebnisse des Kartenziehens mit den Spielern verglichen werden müssen. Ok, man könnte zwar dann behaupten: Ich hab das Herz-As, aber das wäre dann merkwürdig, wenn ein Spieler offensichtlich auch das Herz-As hat ;)

Dom
6.5.2007, 18:36
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Purzel
@ Kronosjian:

Ich gehe mal davon aus, die Spiele, die du meinst, sind die Spiele von der Forge und ihrem Dunstkreis.

Es gibt dort einige Spiele, die wirklich die althergebrachte Aufgabe eines Spielers (nur seinen SC darzustellen) völlig über den Haufen werfen (Spielleiterlose Spiele z.B.).

Doch viele Spiele sind dem normalen Rollenspiel sehr ähnlich und zum Ausprobieren gut geeignet sind. Der deutlichste Unterschied ist vielleicht, dass die Spieler andere Dinge dürfen und anders verhandeln als gewohnt.

Was den meisten normalen Rollenspielern schauderlich das Fleisch von den Knochen reisst ist das sogenannte „Player Empowerment“. Bei den Forgespielen ist es recht verbreitet, dass die Spieler verstärktes Mitspracherecht haben, wo klassischerweise nur der SL das sagen hat: bei der Story. Plötzlich dürfen auch sie die Geschichte mit Inhalten füllen, die eigentlich mal nur dem SL vorbehalten waren.

Skeptiker sagen zu PE meist, dass sowas nie klappen kann, dass es hirnrissig sei den Spielern mehr Macht zu geben, dass solche Spiele gleich in Anarchie ausarten, wie kann der SL seine Geschichte erzählen, wenn ihm jeder ins Handwerk mischen kann etc.

Und in der Tat gibt es Spieler, die mit ihrer veränderten, verantwortungsvolleren Aufgabe zunächst nicht ganz klar kommen. Es soll ja auch Spieler geben, die wirklich wirklich sich nur zurücklehnen und ein bisschen Rollenspielen wollen, während der SL für sie sein Ding dreht.

Ich persönlich finde aber, dass einige Änderungen in der klassischen Aufgaben- und Verantwortungsverteilung eher neue Ressourcen auftun, als dass sie das Spiel ins Chaos stürzen.

Recht häufig ist auch eine Veränderung der Perspektive, aus der man als Spieler erzählen und handeln soll. Klassischerweise hat man die Sicht seines Charakter. Einige Forgespiele hingegen bewegen die Perspektive aber durchaus mal auf die Ebene eines Autoren oder eines Regiesseurs. Auch für viele Leute erstmal befremdlich. Man muss es ausprobieren.
6.5.2007, 19:11
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Kronosjian
Och mit PE habe ich schon Erfahrungen gemacht. Einer meiner Mitspieler hält recht wenig von Plots, sondern wirft uns Spielern immer nur irgendwas hin, lehnt sich zurück und sagt „macht mal“. Dann probieren wir alles mögliche aus, was irgendwie nach Plot riecht und er nimmt sich dann irgendwas davon und macht in der Richtung weiter. Da ich ihn recht gut kenne, weiß ich auf was er anspringt und dann muss ich nur noch insistieren, dass da gerade drei nackte Rahjapriesterinnen um die Ecke kommen und schon greift er es auf…
Bei seiner Art zu spielen habe ich eben das Gefühl ziellos als Held vor mich hin zu vegetieren, anstatt zielgerichtet auf ein Finale hin zu steuern.
Naja soweit zu meiner persönlichen Aversion gegen sowas :-)

Prinzipiell kann ich mit PE aber gut leben gerade weil es mich als Meister auch entlasten kann und ich nicht jeden Sch*** selber machen muss bzw. die Spieler selbst etwas zur besseren Darstellung der Spielwelt und zur Stimmung beitragen.
Als Spieler finde ich das eben wie oben erwähnt bis zu einem gewissen Grad auch recht nett, will aber auf einen Plot dennoch nicht verzichten ;-)

Um aber die Kurve wieder Richtung Thema hier zu kriegen, denn wir driften ab. PE ist wohl für ARS-Spieler Tabu, wo bleibt denn da die Herausforderung, wenn man die Hütchen für den Parcours schon selbst aufbauen muss.

@Dom und spielleiterloses Spiel:
Kennt sich jemand mit Mythic aus?
Mich würde das mal interessieren wie diese Technik denn funktioneieren soll. Sie klingt ja recht spannend.
6.5.2007, 20:10
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Dom

Zitat:

Um aber die Kurve wieder Richtung Thema hier zu kriegen, denn wir driften ab. PE ist wohl für ARS-Spieler Tabu, wo bleibt denn da die Herausforderung, wenn man die Hütchen für den Parcours schon selbst aufbauen muss.
Jo, genau. Wobei jetz ARS nicht heißen muss, dass der Spielleiter den Weg durch das Abenteuer vorgibt. Myrmidon beispielsweise propagiert, dass der SL die Herausforderungen gut planen soll (also Motivationen für die NSCs, logische Erklärungen für Lebensumstände und Schätze). Das ganze soll man natürlich vor dem Hintergrund der Charaktermotivationen/der Story machen, damit die Spieler sich dann selbständig einen Weg durch die Herausforderungen suchen.

Zu Mythic: Ich habe auch davon gelesen, ausprobiert hab ichs bisher nicht. Klingt aber erstmal spannend — auch wenn ich nicht nur Gutes gelesen habe.

Dom
6.5.2007, 20:17
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Kronosjian
Wenn ich mal bei Lulu was bestelle, dann werde ich mir Mythic vielleicht mitbestellen, jetzt wo da die Versandkosten runter gingen…
Wenn ich da mal mehr weiß melde ich mich hier.
15.5.2007, 20:29
Skyrock
Ich bin eben durch einen Link in Georgios‘ Blog hierüber gestolpert.

Zunächst einmal müssen die Threefold Gaming Exercises aus dem Bereich der ARS-Blogs ausgeschlossen werden. Zwar geht es dort (ebenso wie bei Georgios oder in den Wilden Landen) hier und da mal um das Thema, aber es ist nicht der Kern des Blogs.

Zu xErz und SchErz: Das ist eine Einteilung die in dieser Form vom Gemüse-Ghoul kommt und die eine Differenzierung des alten Stimmungsspielsbegriffs darstellt. (Ursprünglich gab es für Settembrini nur ARS und Stimmungsspiel, wobei ersteres „wie D&D und Traveller“ und letzteres „wie nach Auf ein Wort“ ist.)
Ich halte diese Trennung für sinnvoll da sie anerkennt dass es nach verlässlichen Regeln stattfindende Spielstile gibt, die nicht auf das Überwinden von Herausforderungen, sondern auf das Schaffen und Erleben von Fiktion zentriert sind.

An der Klimaerwärmung ist SchErz aber nicht schuld… Daran ist die schwindende Piratenpopulation schuld, und an _diesem_ Phänomen ist wiederum SchErz schuld ;)
Nein, das Problem ist dass SchErz als dominanter Spielstil jeden anderen Spielstil entwertet, sobald der Spielleiter ihn an den Tisch bringt. Sobald ein Spielleiter anfängt hinter dem Schirm Würfe zu drehen, Werte zu manipulieren und Hintergründe retroaktiv zu verändern muss gesicherter Einfluss der Spieler und damit eine belastbare Spielgrundlage weichen, und die Spieler die vielleicht lieber xErz oder ARS hätten können nur noch SchErz betreiben, egal wie sehr sie dagegen anstreben.
Es ist SchErz als „die Art und Weise wie man spielen muss damit es richtiges Rollenspiel ist“ und daraus hervorgehende Highlordweisheiten wie „Schummeln gehört zum Werkzeug des guten SLs“, gegen das die ARS-Bewegung(en) angehen, einfach um wieder einen Lebensraum für und Akzeptanz von anderen Spielstilen zu schaffen als das dominante SchErz.
Angesichts der viralen Verbreitung von ARS-Blogs, ARS-Theorie und der seit etwa einem Jahr wieder bestehenden Salonfähigkeit von ARS-Techniken wie Dungeons können wir dabei nicht ganz erfolgslos geblieben sein.

Gibt es so weit Fragen? (Und kann man hier irgendwo per Mailbenachrichtung oder RSS Threads abonnieren?)
15.5.2007, 20:55
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Dom
Hallo Skyrock :)

Wir basteln noch … RSS auf Threads geht noch nicht (ich nehme es aber in die TODO-Liste auf). Bisher kannst du nur nen allgemeinen RSS abonnieren.

Ansonsten hast du mit deiner Aussage, dass SchErz ein übermächtiger Spielstil ist, natürlich nicht ganz unrecht, denn der SL kann dies sozusagen „im Geheimen“ einsetzen (oder eben nicht).
Allerdings können die Spieler dagegen rebellieren, wie sie auch gegen einen hart spielenden SL rebellieren können. Will sagen: Wenn die Spieler erwarten, dass der SL im Kiesowschen Sinne leitet, er aber offen würfelt und ein Charakter geht in der ersten Kampfrunde wegen eines kritischen Treffers drauf, dann werden die Spieler auch rummaulen und sagen, dass ein guter SL die Charaktere nicht so einfach hopps gehen lässt.

Dom
15.5.2007, 21:03
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Kronosjian

Zitat von Skyrock:

Ich halte diese Trennung für sinnvoll da sie anerkennt dass es nach verlässlichen Regeln stattfindende Spielstile gibt, die nicht auf das Überwinden von Herausforderungen, sondern auf das Schaffen und Erleben von Fiktion zentriert sind.
Eine Trennung mag ja sinnvoll sein, aber ob es sinnvoll ist die an der Schummelei hinter dem Schirm aufzuhängen bezweifle ich. Schummeln kann ein wesentlicher Bestandteil eines Erzählspiels sein. Ich könnte das ganze als eine Spieltechnik definieren und mir dafür einen schicken Begriff ausdenken bzw. wählen, der nicht so negativ belastet ist wie Schummeln, sagen wir Dirigent/dirigieren. Dirigieren beinhaltet dann als Spieltechnik das ganze Arsenal der bösen Dinge wie Würfel drehen, Werte ändern, Plot und Hintergründe ändern usw.
Mal von der Polemik im Begriff SchErz abgesehen, liegt doch das Problem mehr darin, dass das was Regeln in ARS sind nicht gleichbedeutend ist mit dem was Regeln im Erzählspiel sind. Das Erzählspiel folgt dramaturgischen Regeln und eben keinen brettspielähnlichen Regeln. In der Dramaturgie (und das lehrt einen jeder Hollywoodstreifen) ist Irreführung, Illusion und Betrug ein legitimes Stilmittel, um Spannung und Unterhaltung zu generieren.
Böses Erzählspiel wäre also eher eines, das die dramaturgischen Regeln außer acht lässt. Für diese Bewertung sind ARS-Regeln nicht von besonderer Relevanz
15.5.2007, 21:13
Skyrock
@Dom:
Da frage ich mich eher: Warum wurde nicht gleich ein System genommen bei dem Helden eben _nicht_ am ersten Treffer draufgehen können, so dass man streng nach Regeln das abgezielte Spielerlebnis erreichen kann?

Aber unter der Annahme dass ein suboptimales System gewählt wurde: Ja, die Spieler können dann natürlich auf der sozialen Ebene protestieren und Druck ausüben.
Wobei die Tatsache dass ein Spiel offen gewürfelt und hart geregelt wird schneller auffällt als Betrug hinter dem Sichtschirm ;)

Edit: Bezug wiederhergestellt, da anderes Post dazwischen kam.
zuletzt geändert: 15.5.2007, 21:14
15.5.2007, 21:29
Skyrock
@Kronosjian: (Himmel, drei mal verschrieben…)

Ich lege keine ARS-Maßstäbe darauf an, sondern die Maßstäbe allgemeinen menschlichen Zusammenlebens, und diese sehen einfach vor dass Regeln eingehalten werden, wenn diese vereinbart werden. Meine Freunde würden mir etwas erzählen wenn ich sie aus dramaturgischen Gründen beim Skat bemogeln würde, und wenn meine Bank mir aus dramaturgischen Gründen meinen Dispo entziehen würde würde ich der auch was husten.

Hier wird von SchErz-Spielleitern gerne der Vergleich mit Bühnenzauberern gezogen, welcher aber hinkt da ich von einem Bühnezauberer erwarte dass er mich mit seinen Tricks hinter das Licht führt — es werden also keine Regeln gebrochen. Für Blockbuster gilt ähnliches.
Akzeptabel wird es also erst wenn aus dem Illusionismus (SL betrügt heimlich, ohne dass die Spieler es wissen) Partizipationismus (Spieler wissen das SL betrügt und erklären sich damit einverstanden) wird.

Was nicht heißt dass ich darin eine gute Lösung sehe… Es gibt nämlich auch Rollenspiele die Dramaturgie einzig und alleine durch ihre Regeln liefern, etwa Wushu und Inspectres wo das Abenteuer vor einem bestiummten Zeitpunkt nicht beendet werden kann und so z.B. sichergestellt wird dass der Bad Boy nicht beim ersten zufälligen Aufeinandertreffen mit den SCs stirbt.
Besonders interessant empfinde ich hier TRoS da es einerseits einen sehr ARSigen Unterbau gibt (hochgradig taktisches Kampf- und Magiesystem), andererseits aber ein dramaturgiueorientierter Mechanismus namens Spiritual Attribute das ganze überstrahlt und sicherstellt dass die Spieler mit persönlichen Zielen und Motivationen verbundene Attribute erhöhen ehe sie eine Sache zum Abschluß bringen (von dem Ron E. wiederum behauptet er sei TRS ;) ). Ganz so klar ist die Abgrenzung zwischen ARS, xErz und TRS nicht… Nur SchErz sticht klar hervor.
15.5.2007, 22:46
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Dom

Zitat von Skyrock:

Da frage ich mich eher: Warum wurde nicht gleich ein System genommen bei dem Helden eben _nicht_ am ersten Treffer draufgehen können, so dass man streng nach Regeln das abgezielte Spielerlebnis erreichen kann?
Tja, das ist eine interessante Frage, die ich auch schon gestellt haben. Wie du vielleicht weißt, bin auch ich ein Freund von vernünftigen Regeln, die den jeweiligen Spielstil unterstützen, weswegen ich ja auch seit einer Weile an StoryDSA arbeite. Das Problem, gerade im Bereich DSA ist, dass es keine Regeln gibt, die Erzählen und Drama wirklich unterstützen. Darüberhinaus sind solche Spielregeln wenig bekannt und es gibt eben genügend, die lieber dramatischen Regeln folgen als ihren Spielstil durch unpassende Regeln zu verderben.

Die meisten mir bekannten DSA-Runden, die einen SL haben, der Drama vor Regeln stellt, sind sich dessen bewusst (denn dieser Spielstil wird ja in den Regeln offen propagiert) und finden das gut. Die Gruppe hat sich unbewusst auf Regeln geeinigt; der SL wird danach beurteilt, wie gut er eine Geschichte erzählt, der die Spieler im wesentlichen Color hinzufügen können.

Ein Problem ist der „Betrug“ doch nur dann, wenn nicht alle Spieler damit einverstanden sind. Und wenn die Leute alle einverstanden sind handelt es sich wohl kaum um Betrug sondern um Regeln, die dazu dienen, sich auf die Fiktion zu einigen.

Dom
15.5.2007, 22:58
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Purzel

Gut gemachtes Mogeln

Um mal ein paar Positiv-Beispiele für's Schummeln zu geben:
  • In Unknown Armies wird der SL ziemlich genau angewiesen, wie er zu schummeln hat, wenn die Situation (z.B. die oben angesprochene Dramatik) es erfordert.

  • In Vermis Blog gibt es das Thema „Die Lizenz zum Schummeln“, in dem er einen Mechanismus vorstellt, der offene Würfeldreherei vor allen Spielern vorsieht.
Beide Beispiele sind aber kein SchErz. Genau genommen halte ich „Schummeln, das so in den Regeln vorgesehen ist“ garnicht für Schummeln.
Man muss schon genau unterscheiden, wie Würfeldreherei und Geheimnistuerei hinterm SL-Schirm tatsächlich eingesetzt werden. Sie können eine gute Spieltechnik sein, aber mMn nur wenn auch die Anweisungen dazu sinnvoll und zweckgerichtet sind. Es muss geschickt und gezielt eingesetzt werden, und vor allem mit Gruppenkonsenz.

Mangelhaftes Regeldesign

Wozu Mogeleien nicht taugen ist Fehler im Design eines Regelwerk auszugleichen (z.B. PROST wird wohl so gespielt, ich erlebte es aber auch schon bei SR und einigen nicht so guten DSA3-Runden, aber auch die „Guardians of Order“-Spiele kranken darunter [BESM, Sailor Moon RPG]; auch Vampire, Werewolf und Konsorten reihen sich hier gut ein).
Der berühmte „Wenn die Regeln im Weg sind, dann ignoriert die Regeln“-Passus in solchen Spielen führt meist zu Schummeleien, die eigentlich nicht sein müssten/sollten. Mogeln zu müssen, weil die Regeln nicht die Art Spiel erzeugen können, die sich ein Regelwerk auf die Fahne geschrieben hat, ist ein ganz schlechter Regelpatch.

Gutes System, aber angewendet auf den falschen Spielstil

Oder wenn Leute einen Spielstil versuchen mit einem Regelwerk umzusetzen, der dafür nicht vorgesehen ist, dann ist Schummelei eine unpassende Spieltechnik (z.b. Romantik und Dramatik wie in einem Hollywood-Drehbuch mit D&D 3.5 umzusetzen versuchen).
In diesem Falle wäre es besser doch lieber zu einem anderen System zu greifen, statt das System durch Schummeln zu verbiegen.

Gutes System, aber schlechtes Abenteuer

Eine der häufigsten Ursachen für meine furchtbaren Erlebnisse mit DSA waren für Aventurien geschriebene Abenteuer, die von Autoren geschrieben worden waren, die entweder die vorhandenen Regeln garnicht kannten oder absichtlich ignorierten und offen zum Mogeln aufriefen.
Mein Paradebeispiel ist da die 7G-Kampagne, die ich spielleiten musste und die mir Aventurien so sehr zum Hals heraushängen liess, dass ich eine gut 4jährige DSA-Pause einlegte.
(Man kann sagen, exzessives Mogeln, nur um eines Plots oder der Vision eines Autors willen, hätte fast einen Spieler vergrault, der vorher jahrelang DSA gespielt hat.)
15.5.2007, 23:05
Skyrock
Ja, Partizipationismus > Illusionsimus, aber andererseits xErz > Partidingens.

Systemseitig erlaubtes Schummeln betrachte ich nicht als SchErz… Gutes Beispiel sind da auch die Hybreis und Tücken in 7th Sea.

Zitat von Purzel:

Sailor Moon RPG
Ich sehe, „spielt jeden Scheiß“ kommt nicht von umsonst ;) Wobei gerade GoO wegen seines Manifestos berüchtigt ist, wo solche Highlordweisheiten wie „If story conflicts with the dice, story wins“ verewigt wurden.
15.5.2007, 23:06
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Purzel
@ Dom:

Aber es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass auch wenn dieser „Betrug“ bei vielen Runden klappt, er deswegen keine tolle Spieltechnik ist. Es ist mehr eine Notlösung, die sich aus Gewohnheit eingebürgert hat.

Denn letztlich bleiben freischwingene Scbummeleien mMn nur Techniken, die nicht sehr verlässlich das erzeugen, was der Autor (sei es der SL, der Abenteuer-Autor, oder der Regel-Autor) eigentlich im Sinn hatte.
15.5.2007, 23:10
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Purzel

Zitat von Skyrock:

Ich sehe, „spielt jeden Scheiß” kommt nicht von umsonst ;)
Ja, in meinen wilden Tagen habe ich ne Menge ausprobiert. Das Sailor Moon RPG war schon irgendwie cool. Sechs erwachsene Männer versuchen japanische Schulmädchen zu spielen. Wenn man voller Imbrunst schrie: „Und im Namen der Liebe werde ich dich bestrafen!“ … *schwärm*
15.5.2007, 23:20
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Dom
@Purzel: Ja, jein. Klar, du kannst über einen Gruppenvertrag, der nirgendwo explizit geregelt ist, kein verlässliches Spielerlebnis sorgen und schon gar nicht durch Außenstehende, wie Abenteuer-Autoren.

Allerdings sehe ich eine solche Technik gruppenintern nicht wesentlich anders als vom Spiel vorgegebene Anleitungen, wie z.B. bei UA. Allerdings natürlich nur gruppenintern.

Dom
15.5.2007, 23:24
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Purzel
Hmm, okay, eine Gruppe, die „das immer schon so gemacht hat“, wird wohl ohne den „Betrug“ nach Art des Gruppenkonsenz kaum ein Spiel heil überstehen. In dem Fall ist sowas ein wichtiger Kitt für die Funktionalität der Runde.
16.5.2007, 16:08
Elwin
Das Problem an dem xErz und SchErz-Paar ist die Tatsache, dass es nur den Gegensatz Regeltreue oder Spieler-bescheißen kennt, nicht aber den Aspekt berücksichtigt, dass Spieler damit einverstanden sein können, wenn der SL sich über die Regeln hinwegsetzt. (hier gibt es einige dokumentierte Ansichten über das SL-Schummeln)

SchErz zerfällt damit quasi in Illusionismus und Partizipationismus. Beide Begriffe sind sogar nicht nur auf das „Erzählspiel“ beschränkt.

Gruß
Chris
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